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die ausschließlich von den Verwundeten benutzt werden dürften. Die Soldaten könnten dann
reichlich frische Luft schöpfen und einige Abwechslung genießen.45 Gelegentlich gingen solche
Impulse aber auch von den Lazaretten oder der Stadtverwaltung aus, so im Juni 1915, als die
Leitung des Lazaretts im Friedrich-Gymnasium die Stadt darum bat, das Bedürfnis der Verwundeten
nach frischer Luft zu stillen und für den Hof des Lazaretts ungenutzte Tische und
Stühle aus städtischem Besitz zu überweisen, was die Stadtverwaltung bereitwillig zusagte.46
Desgleichen kam es während des gesamten Krieges immer wieder zu Initiativen von Privatleuten
, Bibliotheken und Kirchen, Bücher und Zeitschriften zu sammeln und sie anschließend den
Lazarettinsassen als Lektüre zur Verfügung zu stellen.47 Die Lazarettdirektionen trugen diesem
Umstand Rechnung, indem sie nach Möglichkeit eigene Bibliotheks- und Aufenthaltsräume für
leicht und mittelschwer verletzte Soldaten einrichteten.48 Die Kirchen waren überdies danach
bestrebt, regelmäßige Sonntagsgottesdienste abzuhalten und die Verwundeten seelsorgerisch zu
betreuen. Für jedes Lazarett stand deshalb ein protestantischer bzw. katholischer Zivilgeistlicher
zur Verfügung, der den Patienten die heiligen Sakramente abnahm und ihnen seelsorgerischen
Trost spendete49 - in einer Epoche, die noch von starker Religiosität geprägt war, ein nicht
unwichtiger Tatbestand. Beschleunigt durch die Konkurrenzsituation zwischen den beiden Kirchen
, wurden außerdem in den meisten Lazaretten eigene Räume für Gottesdienste eingerichtet
. Am 19. August 1914 trat beispielsweise das Stellvertretende katholische Divisionspfarramt
an das Erzbischöfliche Ordinariat mit der Bitte heran, möglichst umgehend für die Schaffung
von Räumen für katholische Gottesdienste in den Freiburger Reservelazaretten Sorge zu tragen,
denn: Die katholischen Soldaten würden es freudigst begrüßen, wenn Sonntagsmesse mit Predigt
eingeführt würde, da sie sonst überhaupt keiner Messe beiwohnen können. Die Einführung
eines Gottesdienstes ist unseres Erachtens geradezu notwendig, da auch von protestantischer
Seite ein solcher vorgesehen ist [.. .].50
Kurzum: Gerade für jene Soldaten, die nicht an das Bett gefesselt waren und sich relativ
gut fortbewegen konnten, hielten die Lazarette ein vielfältiges Angebot bereit, das ihren Alltag
so abwechslungsreich wie möglich gestaltete. Zu diesen Angeboten gehörten auch Vorträge
und Konzerte, die manchmal in den Lazaretten selbst, manchmal außerhalb stattfanden. Der
Freiburger Orientalist Prof. Thiersch zeigte beispielsweise seine speziell an Lazarettpatienten
gerichteten Lichtbildvorträge über Länder des Vorderen Orients wie Ägypten, Syrien, Palästina
und Kleinasien in einem Hörsaal der Universität, während der Ökonom Prof. Diehl seine Vorträge
über wirtschaftliche Fragen des Ersten Weltkriegs in den Lazaretten abhielt.51 Im Bereich der
Konzerte waren insbesondere die musikalischen Abende im Herder-Lazarett stadtbekannt, die
Charlotte Herder für die dortigen Patienten auf die Beine stellte; doch fanden auch in anderen
Lazaretten Konzertabende statt. Im Herder-Lazarett konnten die gehfähigen Insassen außerdem
im Innenhof des Verlagsgebäudes Kegel- und Ballspiele veranstalten.52 Hinzu kam für die
Lazarettpatienten die Möglichkeit, einen Teil ihrer Freizeit selbst zu organisieren und gemeinsam
mit den Kameraden Karten zu spielen und zu musizieren. Das Einüben und Vorführen
Unbekannter Absender an Stadtrat, 19.8.1914, C3/775/4.
Vereinslazarett Friedrich-Gymnasium an Oberbürgermeister Thoma, 13.6.1915, ebd.
Volksbibliothek und Volkslesehalle Freiburg an die Stadtratskommission, 14.8.1914, ebd.
Vgl. ebd.
Lorenz Werthmann an den Ortsausschuss des Roten Kreuzes, 16.10.1914, ADCV, 420.025, Fasz. 2.
Stellvertretendes katholisches Divisionspfarramt an Erzbischöfliches Ordinariat, 19.8.1914, Erzbischöfliches
Archiv Freiburg (EAF), B 2-35, Nr. 17.
UAF, B 1/4336.
Vgl. Werthmann (wie Anm. 6), S. 79.
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