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vieler Beteiligter um salomonische Konfliktlösungen in Zeiten einer nationalen Krisensituation
widerspiegeln, ließen sich weitere ähnliche Beispiele anführen.58
Auf der anderen Seite brachen zwischen der Stadtverwaltung, dem Roten Kreuz und den
Landes- bzw. Reichsbehörden ungeachtet des kriegerischen Ausnahmezustandes wiederholt
Streitigkeiten über Geld und Zuständigkeiten aus, die zum Teil mit beachtlicher Vehemenz ausgetragen
wurden.59 Bereits kurze Zeit nach Kriegsausbruch traten erste Spannungen zwischen
der Stadtverwaltung und dem Roten Kreuz auf. Grund war der Antrag des Roten Kreuzes vom
14. August 1914, dass die Stadt die Kosten für den Transport von Verwundeten übernehmen
möge, der mit Hilfe von städtischen Fuhrwagen durchgeführt wurde.60 In ihrer Antwort auf
den Antrag des Roten Kreuzes erklärte sich die Stadt zwar ausnahmsweise dazu bereit, fügte
jedoch hinzu: Wir wollen aber doch bemerken, dass derartige Transporte nicht Aufgabe der
Stadtverwaltung sind; die Sorge während der Krankheitstage der Soldaten ist Sache der Reichsbehörden
. Es wird überhaupt in der letzten Zeit versucht, der Stadtverwaltung Ausgaben der
verschiedensten Art aufzuladen, deren Begleichung wir mit Nachdruck ablehnen müssend Indes
nahmen die Spannungen in der Folgezeit noch zu, als es zu Auseinandersetzungen über
die Verpflegungssätze kam, die die Stadtverwaltung für die Verpflegung der Lazarette in der
Hildaschule und Stühlingerschule aus der städtischen Volksküche verlangte; der Tagessatz in
Höhe von 2,50 Mark pro Verwundeten erschien dem Roten Kreuz zu hoch. In einer Sitzung
des Ortsausschusses vom Roten Kreuz am 27. Oktober 1914 eskalierte die Lage. In seiner Eigenschaft
als zweiter Vorsitzender des Ausschusses erhob Ernst Fabricius gegenüber der Stadtverwaltung
den Vorwurf, sie zeige sich in einer so großen Zeit wie der jetzigen gegenüber den
Verwundeten und dem Roten Kreuz kleinlich und engherzig, ja sie wolle aus der Verwundetenverpflegung
sogar Profit schlagen. Nach hitzigen Wortgefechten verließ Stadtrat Mühlberger
als städtischer Vertreter des Ortsausschusses unter Protest den Saal und kündigte seinen Rückzug
aus dem Gremium an. Erst nach einem beschwichtigenden Schreiben des Ortsausschusses
kehrte er wieder in den Ausschuss zurück. Zugleich legte die Stadtrechnung eine detaillierte
Kostenrechnung über die Verpflegung vor und stellte es den Lazarettverwaltungen anheim, das
Essen zukünftig über das Rote Kreuz zu beziehen.62
Solche Spannungen waren kein Einzelfall. Im Sommer 1916 waren es erneut die Verpflegungssätze
, die Anlass zu Unmut gaben. Diesmal gingen die Gravamina von den privaten Vereinslazaretten
aus: Sie beklagten sich bitter darüber, dass die Militärverwaltung die Sätze, die
man von ihr für die Pflege und Versorgung der Soldaten erhalte, nicht an die stark gestiegenen
Preise für Lebensmittel, Medikamente, Wäsche usw. anpasse. Obendrein würden im Gegensatz
zu den ersten Kriegsmonaten nun auch die Ärzte, die zu Beginn des Krieges noch freiwillig
Dienst in den Vereinslazaretten getan hätten, eine tägliche Vergütung von 15 Mark verlangen -
ein interessanter Hinweis auf die doch recht rasch nachlassende „patriotische" Opferbereitschaft
der Medizinerschaft mit zunehmender Dauer des Krieges.63 Der Widerstand der Militärs gegen
die Anpassung der Sätze an völlig veränderte Gegebenheiten veranlasste den Besitzer des Sanatoriums
Rebhaus, der dieses Verhalten als bitteres Unrecht brandmarkte, zu der Bemerkung:
Vgl. hierzu StadtAF, C3/775/4 und C3/775/5.
Dies hat auch Geinitz schon angedeutet. Vgl. Geinitz (wie Anm. 8), S. 291 f.
Der Antrag wurde der Stadtverwaltung über das Freiburger Gesundheitsamt zugeleitet: Gesundheitsamt
der Hauptstadt Freiburg an Stadtrat, 17.8.1914, StadtAF, C3/775/6.
Stadtrat an Gesundheitsamt, 24.8.1914, ebd.
Vgl. hierzu den Schriftwechsel zwischen Stadtrat und Ortsausschuss des Roten Kreuzes vom 27.10. bis
4.11.1914 in: ebd.
Schreiben der Vereinslazarette an die Reservelazarett-Zentrale, 8.9.1916, ADCV, 420.025, Fasz. 2.
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