http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2015/0127
Anklagepunkten mangels Beweisen freigesprochen. Bereits 1965 kam er durch einen Gnadenerweis
des baden-württembergischen Ministerpräsidenten Kurt Georg Kiesinger (1904-1988) wieder
frei. 1973 begann jedoch ein neues Verfahren gegen ihn, nachdem weitere Zeugenaussagen
bekannt geworden waren. Nun ging es um sehr viel mehr Morde, die Viellieber alle abstritt, die
aber in den zahlreichen Zeugenvernehmungen, nicht zuletzt aus Polen, belegt werden konnten.
Viellieber erscheint als ein brutaler Alkoholiker und Sadist. So viel war also von der „Befreiung
" zu halten, die ihm seine Aussage 1961 gegeben hatte. Wegen seines Gesundheitszustandes
musste die Hauptverhandlung immer wieder verschoben werden, bis das Verfahren 1979 wegen
Verhandlungsunfähigkeit Vielliebers eingestellt wurde.46
Tätigkeit in Freiburg 1940 bis 1945
Dieser Exkurs zu Oppermann und Viellieber verdeutlicht exemplarisch, wie sich Polizisten, die
in Polen eingesetzt worden waren, nach Kriegsende ihrer Vergangenheit stellten. Wie verhielt
sich Eugen Selber? Verfolgen wir aber zunächst weiter seinen Weg als Gestapobeamter nach der
Rückkehr aus Polen. Die Freiburger Dienststelle der Gestapo umfasste die Abteilungen Allgemeine
politische Angelegenheiten, Jüdische Angelegenheiten, Kirchliche Angelegenheiten und
Spionageabwehr. Erneut wurde Selber als Sachbearbeiter jüdischer Angelegenheiten eingeteilt.
Seine Beteiligung an der Deportation der Juden nach Gurs am 22. Oktober 1940 ist nicht belegt
, aber wahrscheinlich, da Gestapobeamte neben Schutzpolizisten mit der Durchführung der
Aktion beauftragt waren. In Freiburg waren davon 375 Personen betroffen, von denen 50 überlebten
.47 Es folgten weitere Deportationen, für deren Organisation die Gestapo zuständig war:48
Soweit bekannt, befanden sich vier Freiburger in einem Zug, der am 26. April 1942 nach dem
„Durchgangsghetto" Izbica in der Nähe von Lublin abging.49 Von dort kamen sie in eines der
Vernichtungslager, wo sich ihre Spur verliert. Am 21. August 1942 wurden dann 31 Personen in
das KZ Theresienstadt und teilweise weiter nach Auschwitz transportiert, im April 1944 noch
einmal vier und im Februar 1945 15. Darunter befanden sich nun auch sogenannte „Mischlinge"
und jüdische Partner aus „Mischehen", die bislang weitgehend verschont geblieben waren. Das
GLA, 465 h Nr. 25245 (Spruchkammerakte), 309 Karlsruhe Nr. 6568-6580 (Nr. 6569, Bl. 17 und 23,
Zitate aus der Vernehmung am 7.11.1961, Nr. 6577 Urteil von 1964), 309-2 Karlsruhe Nr. 1827-1831, 309
Mannheim Nr. 2249-2254, 2778-2813 (Verfahren ab 1973). Zu der juristischen Konstruktion, dass die Ermordung
des Juden als „Beihilfe zum Mord" gewertet wurde, siehe Haumann (wie Anm. 31), S. 344-350.
Heiko Haumann: 22. Oktober 1940 - Die Freiburger Juden werden deportiert, in: Auf Jahr und Tag.
Freiburgs Geschichte in der Neuzeit, hg. von Christiane Pfanz-Sponagel, R. Johanna Regnath, Heinrich
Schwendemann und Hans-Peter Widmann, Freiburg 2015, S. 161-178. Die Gliederung der Gestapo
-Dienststelle findet sich in Selbers Aussage vom 24.3.1961: BA-LB, B 162/19727 (wie Anm. 27),
Bl. 60f. Im Verhör 1945 gab er an, die Abteilung IV B sei für Judenfragen zuständig gewesen. Daneben
habe er sich von 1941 bis 1944 mit der Errichtung von Nachrichtennetzen beschäftigen müssen, um die
Stimmung in der Bevölkerung zu erkunden. Von dieser Arbeit sei er dann enthoben worden, weil er sie
nicht gewissenhaft genug gemacht habe; vgl. seine Aussage vom 27.6.1949, er habe für Karlsruhe Stimmungsberichte
anfertigen müssen, AOFAA, 1BAD 935.
Dies wurde 1949 in einem Spruchkammerverfahren festgestellt, mit Dienststellenleiter Traub als Hauptverantwortlichem
; zitiert in: Stolle (wie Anm. 10), S. 298.
Vgl. Robert Kuwalek: Die letzte Station vor der Vernichtung. Das Durchgangsghetto in Izbica, in: Deutsche
- Juden - Polen. Geschichte einer wechselvollen Beziehung. Festschrift für Hubert Schneider, hg.
von Andrea Low, Kerstin Robusch und Stefanie Walter (Wissenschaftlicher Reihe des Fritz-Bauer-Instituts
9), Frankfurt a. M./New York 2004, S. 157-179.
125
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2015/0127