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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2015/0132
Eugen Selber war nicht nur mit jüdischen Angelegenheiten befasst. 1941 musste er nach
eigenen Angaben die Anzeige gegen eine junge Bauersfrau aus Herbolzheim oder Kenzingen
verfolgen, die im dringenden Verdacht stand mit einem Polen intime Beziehungen unterhalten
zu haben. Selber konnte ermitteln, dass die Anzeige haltlos war, und er konnte die Bäuerin dazu
veranlassen, den angeblichen Zeugen, einen Nazi, zu verklagen. Dieser erhielt, so Selber, vom
Amtsgericht Emmendingen wegen Beleidigung der Frau eine Gefängnisstrafe. Der Emmendinger
Kreisleiter Götz soll ihm daraufhin weitere Schritte angedroht haben. Allerdings gab
es keinen Emmendinger Kreisleiter dieses Namens. Selber täuschte sich hier offenbar in seiner
Erinnerung - möglicherweise liegt eine Verwechslung mit Kreisleiter Konrad Glas (1900-?)
vor.60 1961 wurde Selber ebenfalls wegen Verfahren im Zusammenhang mit polnischen Zwangsarbeitern
vernommen. Obwohl er eigentlich für diesen Bereich nicht zuständig war, musste er,
wie er sich erinnerte, einen Fall in Gundelfingen bearbeiten. Ein Pole namens Gumulka habe
sich seiner Arbeitgeberin unsittlich genähert und sich an einem kleinen Kind vergangen. Bei
Beginn seiner Ermittlungen sei der Beschuldigte bereits in das Gefängnis Freiburg eingeliefert
gewesen. Selber erklärte, er habe seinen Bericht ohne Strafvorschlag abgeliefert und gemeint,
der Fall sei eigentlich Sache der Staatsanwaltschaft. Sein Chef habe den Vorgang jedoch an die
Gestapo-Leitstelle in Karlsruhe weitergeleitet. Der Pole sei dann in Gundelfingen hingerichtet
worden. Diese Aussage ließ sich im Wesentlichen bestätigen. Johann Gumulka, 1909 in Wierz-
bice geboren und Schuhmacher von Beruf, war als polnischer Kriegsgefangener im August 1940
zunächst auf einem landwirtschaftlichen Hof in Gündlingen bei Breisach und später in Gundelfingen
beschäftigt worden. Am 25. Juni 1941 wurde er wegen angeblicher Arbeitsverweigerung
im Gefängnis Freiburg „interniert", im November in das Gefängnis Karlsruhe eingeliefert, kurz
darauf in das KZ Dachau „überstellt", von dort aber bereits am 15. Januar 1942 wieder entlassen.
Er kam allerdings nicht frei, sondern erneut in das Freiburger Gefängnis. Am 12. Februar 1942
wurde er in Gundelfingen erhängt. Unterlagen über das Verfahren und über Einzelheiten der
Vorwürfe waren nicht mehr auffindbar. Eugen Selbers Bereitschaft, seine Beteiligung an den
Ermittlungen nicht zu verschweigen, spricht dafür, dass er seine Tätigkeit insgesamt nicht zu
verschleiern suchte.

An drei weiteren Exekutionen in Bötzingen, Bollschweil und Hinterzarten habe er noch
teilnehmen müssen, die entsprechenden Ermittlungen aber nicht durchgeführt, berichtete
Selber weiter. Bei den Hinrichtungen, die jeweils von zwei Polen hätten durchgeführt werden
müssen, habe er sich immer umgedreht, um den eigentlichen Vorgang nicht mitansehen
zu müssen. [...] Nach Todeseintritt mussten die in der Umgebung arbeitenden Polen an ihrem
Landsmann vorbeigehen, was als Abschreckungsmaßnahme dienen sollte. [...] Nach der

StAF, F 30/1 Nr. 1956, Schreiben Selbers an das Ministerium des Innern, 21.6.1952. Selber benannte den
Emmendinger Rechtsanwalt Otto Fehrenbach als Zeugen. Im Kreisarchiv Emmendingen liegen zu diesem
Vorgang keine Unterlagen, ein führender Nationalsozialist namens Götz ist dort nicht nachweisbar
(Gerhard Auer, Mitteilungen vom 7.4. und 27.5.2015). Im Staatsarchiv Freiburg ist die Entnazifizierungsakte
eines Johann Götz aus Emmendingen (geb. 1892) überliefert, der aber hier nicht in Frage kommen
kann (StAF, D 180/2 Nr. 14, C 5/1 Nr. 673). Leider nennt Selber nicht den Namen der Angeklagten
bzw. Klägerin, sodass eine Recherche in den Beständen des Freiburger Staatsarchivs zum Amtsgericht
Emmendingen und zur Staatsanwaltschaft Freiburg nicht möglich ist. Unterlagen der Kreisleitung Emmendingen
sind im Staatsarchiv nicht überliefert (Jochen Rees, Mitteilung vom 10.4.2015). 1945 hatte
Selber angegeben, die Frau sei aus Broggingen gewesen, Götz wird dort nicht als Kreisleiter bezeichnet
(AOFAA, 1BAD 935). In einem Fall bei der Firma Brenzinger & Cie. soll Selber eine Anzeige gegen den
polnischen Zwangsarbeiter Siegmund Skowron (1891-?) niedergeschlagen haben (Schreiben von Philipp
Gerhard, 28.9.1948, ebd.). Vgl. zur literarischen Gestaltung eines Falles in Lörrach-Brombach Rolf
Hochhuth: Eine Liebe in Deutschland, Reinbeck 1978.

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