http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2015/0134
sehen Militärbehörden. Eine Woche später wurde er verhaftet.65 Ein ehemaliger Gestapo-Spitzel
berichtete später Selbers Ehefrau, es sei vorgesehen gewesen, ihren Mann während einer
Dienstfahrt verunglücken zu lassen, wenn sich der Einmarsch der Franzosen verzögert hätte.66
Ob dies tatsächlich vorgesehen war, lässt sich nicht mehr herausfinden.
Internierung, Entnazifizierung, Wiedereinstellung in den Staatsdienst
Am 9. Januar 1946 wurde Eugen Selber in das Internierungslager Freiburg-Betzenhausen verlegt
, wo er bis zum 24. August 1948 verblieb.67 Alle Versuche, ihn unter Hinweis auf sein anständiges
Verhalten freizubekommen, scheiterten. Ab April 1948 vertrat ihn Rechtsanwalt Walter
Scheffel im Entnazifizierungsverfahren. Offenbar verstärkte sich dann aber doch die Überzeugung
, dass nichts Belastendes gegen ihn vorlag. Der Untersuchungsausschuss Freiburg-Land
für Internierte stufte ihn am 6. September 1948 als Mitläufer - ohne weitere fakultative Sühne
ein. Dem widersprach die Spruchkammer Abteilung 4 für Internierte am 30. September 1948
und gruppierte Selber als Entlasteten ein. Das Badische Staatskommissariat für politische Säuberungen
ordnete daraufhin eine Überprüfung an, da zusätzliche Zeugen aufgetreten seien. Die
Spruchkammer Abteilung 3 erklärte Selber aufgrund der neuen Vernehmungen am 28. März
1949 zum Schuldigen. Eine erneute Überprüfung führte am 27. Juni 1949 seitens der Abteilung
1 zur Zuweisung in die Kategorie der Minderbelasteten - mit einer Bewährungsfrist von drei
Jahren. Das Staatskommissariat ließ aber auch diesen Beschluss überprüfen. Das Urteil der
Spruchkammer Abteilung 2 lautete dann am 23. August 1949 auf Mitläufer. Als Sühnemaßnahme
wurde festgelegt: Der - Die Betroffene ist nicht wählbar. In der Begründung wird nur
die Einstufung als Mitläufer erwähnt und hinzugefügt: Von einer weiteren fakultativen Sühne
wurde mit Rücksicht auf seine lange Internierung abgesehen.6* Die endgültige Säuberungsbescheinigung
fertigte Dr. Walter Nunier (1905-1986), der Staatskommissar für politische Säuberung
, am 7. November 1949 aus, der Entscheid war jedoch bereits im Amtsblatt am 28. Oktober
1949 veröffentlicht worden. Er folgte dem letzten Spruchkammerurteil, sah aber von jeglicher
Sühnemaßnahme ab.69
Dieser Ablauf macht deutlich, wie schwierig es war, ein angemessenes Urteil im Entnazifizierungsverfahren
zu finden, welche Bedeutung einzelnen Zeugenaussagen zukam und wie
sehr gerade die Einzelfallprüfung von der Zusammensetzung der Untersuchungskommission
StAF, F 30/1 Nr. 1956, Spruchkammer-Entscheidung vom 23.8.1949, Begründung S. 2; AOFAA, 1BAD
935.
Interview mit Ingeburg Selber, 14.3.1988.
StAF, F 30/1 Nr. 1956, handschriftlicher Lebenslauf Eugen Selbers vom 20.8.1951. Zum Internierungslager
, das vielfältige Kritik hervorrief, vgl. Reinhard Grohnert: Die Entnazifizierung in Baden 1945-1949.
Konzeptionen und Praxis der „Epuration" am Beispiel eines Landes der französischen Besatzungszone,
Stuttgart 1991, S. 162-171; Heiko Haumann: „Und doch trifft uns, wenigstens vor Gott, manche Schuld",
in: Geschichte der Stadt Freiburg (wie Anm. 1), S. 371-386, hier S. 383f.; Alltagsnot und politischer Wiederaufbau
. Zur Geschichte Freiburgs und Südbadens in den ersten Jahren nach dem 2. Weltkrieg, hg. vom
Arbeitskreis Regionalgeschichte Freiburg, Redaktion: Peter Fässler u.a. (Stadt und Geschichte. Neue
Reihe des Stadtarchivs Freiburg i. Br. 9), Freiburg 1986, S. 90. Zur Internierung und zum Entnazifizierungsverfahren
siehe detailliert: AOFFAA, 1BAD 935.
StAF, F 30/1 Nr. 1956, Spruchkammer-Entscheidung vom 23.8.1949, mit Begründung.
Ebd., Säuberungsbescheinigung vom 7.11.1949, veröffentlicht im Amtsblatt, Beilage Nr. 41-43 vom
28.10.1949, S. 350 re. Die entsprechenden Entscheidungen finden sich samt Begründungen auch in: AOFAA
, 1BAD 935.
132
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2015/0134