http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2015/0144
dieser Art von Partnerschaft nicht dem Tragen des „Judensterns" unterworfen war - im Falle
der „Nicht-Privilegierung" war er zu seinem Tragen verpflichtet. Daneben wurden solche Ehen
gezwungen, in „Judenhäuser" zu ziehen; ohne polizeiliche Erlaubnis war ihnen verboten, den
Bereich ihrer Wohngemeinde zu verlassen, und ihr Vermögen wurde gesperrt.11
Dieses harte Vorgehen gegen „einfache Mischehen" darf aber nicht darüber hinwegtäuschen
, dass seit Beginn des Krieges gleichermaßen allen Juden sowie allen in „Mischehen"
lebenden Partnern und Kindern zahllose Verbote, die alle Bereiche ihres gesellschaftlichen Lebens
betrafen, auferlegt wurden. Mit fortschreitender Kriegsdauer, besonders seit der erweiterten
Frontstellung im Kampf gegen die Sowjetunion seit Herbst 1941 war eine Rücksichtnahme
auf jüdische Belange nicht mehr zu erwarten; neben dem Kampf im Osten sollte „gleichzeitig
das Judentum als der ,innere Feind' vernichtend getroffen werden".12 Die Festlegung, dass der
jüdische Teil der Ehe durch den „arischen" Partner vor einer Deportation geschützt war, blieb
aber vorerst noch unangetastet.
Die Beschlüsse der Wannseekonferenz 1942 leiteten eine neue Phase im Umgang mit dem
Problem „Mischehe" ein. Jetzt wird diese verhasste Konstruktion, deren endgültige Lösung
man über zehn Jahre wegen verschiedener Rücksichtnahmen vor sich hergeschoben hatte, in
den Prozess des organisierten Judenmordes einbezogen.13 Als Alternativen diskutierten die Teilnehmer
: die sofortige Deportation des jüdischen Partners oder eine Zwangsscheidung beider
Mischehearten. Eine Entscheidung dieser Radikalität wurde aber bis Kriegsende vertagt. Allerdings
ergingen in der Folgezeit Maßnahmen, die dem Ziel der Ausrottung allen jüdischen
Lebens immer näherkamen:
ab 1943 wurden Juden, deren nicht-jüdischer Mischehepartner verstorben war oder die
Ehescheidung veranlasst hatte, deportiert.
vom selben Jahr an wurden die jüdischen, ein Jahr darauf auch die „jüdisch versippten"
Ehepartner zur Zwangsarbeit herangezogen.
seit Beginn 1945 fiel endgültig der lebensrettende Schutz, den bislang alle jüdischen
Ehepartner durch die „Mischehe" erhalten hatten. Sie wurden in das Lager Theresien-
stadt deportiert.
Auch den Kindern solcher Ehen galt die jahrelange Aufmerksamkeit von Staats- und Parteiführung
. Sollte man sie - einfach formuliert - eher als „Arier" oder als Juden behandeln,
eher als Teil der „arischen Herrenrasse" privilegieren oder wegen ihrer „rassischen Minderwertigkeit
" ausrotten? Diese Alternative blieb schließlich ungelöst, war aber in den einzelnen zu
beobachtenden Phasen stets präsent.
In einem ersten Zeitraum bis 1935 wurden „Mischlinge" wie Juden behandelt und denselben
Pressionen ausgesetzt. Das Berufsbeamtengesetz strafte sie mit der gleichen Unerbittlichkeit wie
alle „volljüdischen" Beamten, ungeachtet ihrer etwa 90%igen Zugehörigkeit zu einer der beiden
christlichen Kirchen. Zunehmend engten dann Einschränkungen in den Studiermöglichkeiten
die Ausbildungsvielfalt ein, beginnend mit Pharmazie und den Erziehungswissenschaften. Für
die männliche Jugend galt die Zulassung zum 1935 eingeführten allgemeinen Wehrdienst noch
als eine vorberufliche Option.
Am Beispiel von Hamburg: Beate Meyer: Mischehen/»Mischlinge«, in: www.dasjuedischehamburg.de
(Stand: 22.04.2015).
Adam (wie Anm. 10), S. 234. Zu der Vielzahl ausgrenzender Bestimmungen siehe ebd., S. 15lff. und
184ff.
Ebd., S. 222ff.
142
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2015/0144