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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2015/0151
Schließlich verschwinden die Männer und lassen die Familie fassungslos zurück. In großer
Hektik und Eile muss am nächsten Vormittag alles Wichtige besorgt und gepackt werden - aber
was ist lebensnotwendig, wenn es auf unbestimmte Zeit einem unbekannten Ziel entgegengeht?

Am darauffolgenden Tag begleiten Mathilde Schwarz und Tochter Margrit den Vater zur
Sammelstelle in der Turnseeschule. Helmut hat nicht die Kraft mitzugehen; er will zu Hause
vom Vater Abschied nehmen und sich dabei nicht von einer gaffenden Menschenmenge beobachtet
sehen (Abb. 3a und b).31

Neben Otto Schwarz leisten weitere 13 Freiburger Einwohner der Anordnung Folge. Außer
den beiden Geschwistern Milli und Herbert Günzburger, die im jüdischen Glauben erzogen
wurden und von Vater Julius begleitet werden, sind es die jüdischen Partner aus „Mischehen",
neun Männer und drei Frauen im Alter vorwiegend von 55 Jahren. Beruf und Arbeitsstelle haben
alle schon seit Längerem verloren; stattdessen sind sie zur Zwangsarbeit in den unterschiedlichsten
Bereichen herangezogen worden.32 In vielen Familien hat der „arische" Partner der Ehe
die Kommunikation mit der Außenwelt übernommen, ein gesellschaftliches Leben findet kaum
mehr statt.33

Im Schutz der Dunkelheit verlässt der Bus mit den 14 Betroffenen unter Begleitung von
Sicherheitspolizei um 18.30 Uhr Freiburg.34 Offenburg wird um 23 Uhr erreicht, wo drei weitere
Personen zusteigen, darunter Eugen Geismar, der früher in der Kaiserstraße 32 eine Zahnarztpraxis
betrieb, aber in Haslach/Kinzigtal wohnt. Wegen Fliegeralarms muss im Luftschutzkeller
zugewartet werden. Weiterfahrt gegen halb 4 Uhr morgens mit der Eisenbahn über Baden-Oos
und in abenteuerlicher Weise auf einem nassen Kohlewagen und mit der Ettlinger Albtalbahn
nach Karlsruhe; dort erneut im Luftschutzbunker den Abend und die schützende Dunkelheit
abwartend. Am 15. Februar stoßen sie zu einer jeweils größeren Gruppe jüdischer Verfolgter
in Heidelberg und Mannheim; ihr kleiner Zug, der von da ab aus 4 Wagen besteht, wird sie bis
zum Ziel (welchem?) ihrer Reise bringen. Man fährt Richtung Würzburg, danach Bamberg, wo
sie des Nachts auf dem Rangierbahnhof ausharren müssen. Abermals zwei Nächte unterwegs

Hecht (wie Anm. 29), S. 190.

So waren von unseren Betroffenen zur Arbeit gezwungen worden: Joseph Wallach, Ludwig Hauser (Abb.
4), Heinrich Cossmann, Willy Alt-Rhoden bei der Frankfurter Druckerei Osterrieder im Herderhaus
beschäftigt; Erna Arendt bei der Firma Hellige, Eugen Geismar beim Caritas-Verband und Hermann
Montbrun bei der Diamant-Werkzeugfabrik Heger, Freiburg.

Nach unserer Kenntnis sind die von der Gestapo Freiburg erstellten Listen nicht erhalten geblieben. Es
gibt weder eine Liste mit den zur Verschleppungsaktion bestimmten Opfern noch eine Transportliste der
tatsächlich Deportierten. Dagegen existiert die Theresienstädter Eingangsliste des 17.2.1945 mit allen
in alphabetischer Reihenfolge verzeichneten Teilnehmern, beginnend mit den Städten Mannheim, Baden
-Baden und Freiburg. Vgl. www.statistik-des-holocaust.de (Stand: 22.4.2015). Eine Liste mit allen
Freiburger Betroffenen ist im Juni 1945 von Nathan Rosenberger, dem ehemaligen Vorsitzenden der Freiburger
jüdischen Gemeinde und selbst seit August 1942 Häftling in Theresienstadt, an die Stadtverwaltung
gesandt worden. Beide Listen stimmen überein. Vgl. Stadtarchiv Freiburg (StadtAF), C 5/2587.

Der folgende Fahrtbericht stützt sich auf Informationen, die Otto Schwarz seiner Familie mitgeteilt hat.
Zu seinem überlebensnotwendigen Gepäck gehörten auch acht frankierte Postkarten. Es gelang ihm, sie
unterwegs jemandem zuzustecken oder aus dem Zug hinauszuwerfen, in der Hoffnung, dass sie weiterfänden
. An die Adresse seiner Frau gerichtet, war es der Familie möglich, relativ schnell die Richtung
und - wenngleich mit immer größer werdender Verspätung - das Ziel des Transportes zu erahnen. Da
vom Lager kein brieflicher Kontakt nach außen möglich war, sind diese Karten für längere Zeit sein
letztes Lebenszeichen gewesen (Abb. 5a und b). Zur tabellarischen Übersicht aller Transporte: Theresienstädter
Gedenkbuch. Die Opfer der Judentransporte aus Deutschland nach Theresienstadt, Prag 2000.
Zur Herkunft aller 137 Beteiligten aus Baden siehe www.statistik-des-holocaust.de (Stand: 22.4.2015).

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