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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2015/0156
Glücklicherweise überstehen alle Freiburger Betroffenen die Belastungen der vergangenen
Monate und Tage. Sie erleben die Befreiung durch die Sowjetarmee. Entgegen ihren Wünschen
müssen sie wegen der Quarantäne allerdings auf die schnellstmögliche Heimfahrt verzichten.
Die Ungeduld wächst, als erkennbar wird, wie wenig entschlossen sich die Stadt Freiburg bemüht
, ihre jüdischen Bürger zurückzuholen. Es bedarf erst einer von den Ehepartnern an die
Stadtverwaltung gerichteten, von Empörung diktierten Aufforderung (einer Art offenen Briefes
), sich um die Deportierten zu kümmern, die teilweise schon über zweieinhalb Jahre im
Ghetto zubringen mussten.39 Ende Juni gelingt es endlich, ein Kraftfahrzeug zur Abholung bereitzustellen
und den größeren Teil der Befreiten abzuholen. Einige haben sich - alleine oder in
kleinen Gruppen - schon längst eigenständig und in abenteuerlicher Weise nach Hause durchgeschlagen
- zu Fuß oder wie auch immer.40

Alle hoffen, nach zwölf Jahren der Diskriminierung endlich in eine Heimat ohne Entrechtung
und Verfolgung zurückzukehren. Das Verfahren der „Anerkennung als Opfer des Nationalsozialismus
" durch die Nachkriegsbehörden, welches mit einer bescheidenen Soforthilfe
verbunden ist, gestaltet sich dann relativ zügig (Abb. 7). Bis allerdings die Verfahren zur
„Wiedergutmachung" der ihnen zugefügten „Schäden" anlaufen und zu Ende geführt werden,
kommen auf die Opfer in aller Regel noch eine jahrelange Wartezeit und viel Geduld, die oft mit
bitterer Enttäuschung verbunden ist, zu.

Davongekommen?

Erinnern wir uns, dass Frau Gurlitt im obigen Bericht von der Option sprach, entweder sich der
Gestapo auszuliefern oder zu fliehen. Diese Tatsache lässt vermuten, dass es trotz des ungeheuren
Verfolgungsdruckes auf die verbleibende jüdische Bevölkerung Fälle gab, bei welchen die
Chance eines gewissen Entscheidungsspielraumes über das Schicksal des Verfolgten bestimmen
konnte. Wir kennen in unserem Zusammenhang einige Beispiele dieser Art; sie sind in der
Regel besonders dramatisch verlaufen.

Familie Oskar und Emma Heilbrunner

Oskar Heilbrunner, 1881 in Sulzburg geboren und mit der aus Ottoschwanden stammenden
„Arierin" Emma, geb. Schaudt, verheiratet, war 1938 die Fortführung seines Rohproduktenhandels
verboten worden. Ab 1941 versah er den Posten als Friedhofsverwalter mit Dienstwohnung
im Friedhofsgebäude. Bei der Zerstörung Freiburgs im November 1944 wurde auch
dieses zerstört. Im Jahre 1944 [nach dem großen Luftangriff] bin ich mit meiner Familie nach
Bollschweil evakuiert worden, um mich einer Verhaftung zu entziehen. Polizeilich hatte ich mich

Zur Deportation der jüdischen Bürger Freiburgs nach Theresienstadt am 21.8.1942 siehe Peter Künzel:
Auf behördliche Weisung eröffnen wir Ihnen in: Schau-ins-Land 132 (2013), S. 125-149. Der offene
Brief an die Stadtverwaltung in: StadtAF, C5/2587.

Otto Schwarz war viele Tage unterwegs. Von den sowjetischen Besatzern wurde ihm ein Dokument
ausgestellt, das ihn als Entlassener aus Theresienstadt auswies. Er schlug sich alleine zu Fuß, auf etlichen
Militärfahrzeugen und mit Hilfe der Eisenbahn durch, die letzte Strecke von Karlsruhe nach Freiburg von
einer Krankenschwester begleitet. Freundliche Auskunft von Helmut Schwarz.

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