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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2015/0160
Erkennbar wird, dass im Fall Oehlkers keine einheitliche Linie auf Seiten der verantwortlichen
Dienststellen eingehalten wurde. Die Gestapo war wohl entschlossen, die Deportation von
Frances durchzusetzen. Beim SD spielten eher taktische Überlegungen bereits eine Rolle, aus
dem Gefühl heraus, dass „die Tage ihrer Herrschaft gezählt seien und ein wenig Zurückhaltung
sich später auszahlen könne".45

Im vorliegenden Fall wird dies besonders deutlich. Am 8. März 1947 ergeht ein Schreiben
eines Herrn Jakob Klein an den Rektor der Universität Freiburg in der Angelegenheit der „Rettung
" von Frau Oehlkers: sein Sohn Fritz Klein, letzter Leiter der Dienststelle des SD in Freiburg
, Hauptmann der Waffen-SS, habe sich auf eine Intervention des damaligen Rektors hin für
die Gattin des Oe., die ins KZ sollte, mit Erfolg verwandt.46 Da der Sohn jetzt seit Kriegsende
interniert sei und dem Spruchkammerverfahren (der Entnazifizierung) entgegensehe, liege ihm
als Vater sehr daran, dass Oehlkers ihm im Gegenzug bei den englischen Besatzungsbehörden
mit einer entsprechenden Aussage helfe.

Um einen ähnlichen „Gefallen" wurde auch Gertrud Gurlitt nach Kriegsende gebeten. Damals
war sie zu ihrer Familie nach Hinterzarten geflüchtet, um von ihrer Gefährdung zu berichten
:

Ich blieb nur über den einen Tag dort. Nachdem mein Mann über das Ministerium
telefonisch erfahren hatte, es sei nur eine „Registrierung" gewesen, fuhr ich mit der
nächsten Gelegenheit nach Freiburg zurück. Aber es war eine Verschleppungsaktion
gewesen - das erfuhr ich gleich nach meiner Rückkehr. Ich blieb ruhig in meiner
Wohnung, versäumte aber nicht den Schlüssel umzudrehen und war auf das nächste
gefaßt. Mein Mann wußte nun Bescheid, wenn seine Post mal nicht mehr nachkam.
Aber es geschah nichts mehr.

Drei Monate später erbat sich der oberste Gestapo-Mann einen Persil-Schein von
meinem Mann, daß er mich ,,dann( in Ruhe gelassen hätte. Er bekam ihn, aber es
nützte ihm nichts - er mußte lange in ein Lager [...].47

Wir neigen heute dazu, ein solches Verhalten zynisch und opportunistisch, den Menschen
dahinter als charakterlos zu bezeichnen - auf dem Hintergrund einer oft jahrelang von keinerlei
Skrupeln gehemmten Machtausübung.

Jedoch muss festgehalten werden, dass infolge einer bewusst vorschriftswidrigen oder unterlassenen
Ausführung oberster Befehle viele Opfer überleben konnten. In den letzten Kriegsmonaten
geschah dies natürlich häufiger. Bei der wachsenden Distanz, mit welcher manche
Gefolgsleute des Regimes die letzten Transporte in die Vernichtung gesehen und nicht mehr
vorbehaltlos gebilligt haben, schien sich zuweilen doch noch ein bestimmtes Gefühl für Mitmenschlichkeit
erhalten zu haben - ungeachtet der erwarteten Haltung von Systemtreue und
Durchhaltewillen. Am verbrecherischen System, welches bis zum Ende seinen menschenverachtenden
Charakter vor aller Welt demonstriert hat, und der blinden Ergebenheit der Mehrheit
seiner Funktionsträger ändern solche Ausnahmen aber nichts.

Sander (wie Anm. 44), S. 79.
UAF, B 24/2665.
Wie Anm. 1.

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