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Asymmetrien?
Mehrfach hat das Historische Seminar der Universität Freiburg seinen Betriebsausflug', häufig
haben das Alemannische Institut und der Breisgau-Geschichtsverein wissenschaftliche Exkursionen
ins Elsass unternommen; die Vortragsreihe zum Elsass wurde schon erwähnt. Vergleichbare
Aktivitäten in umgekehrter Richtung gibt es sicher, doch auch in solcher Dichte? Die
Asymmetrie könnte sich mit Berührungsangst, Desinteresse, fehlenden Deutschkenntnissen
... und verständlichen Wünschen erklären. Elsässische Wissenschaftler, die an der Universität
Karriere machen wollen, blicken eher nach Orleans, Toulouse oder Paris als nach Freiburg oder
Basel.
Dem entspricht eine andere Erfahrung: Vor Jahren hatten die Universitäten Basel, Freiburg
und Straßburg den Austausch von Dozenten beschlossen. Das Kommen und Gehen zwischen
Basel und Freiburg erwies sich als unproblematisch, zwischen Straßburg und Freiburg ist es
kaum in Gang gekommen. Die rührige Föderation des Societes d'Histoire et d'Archeologie
d'Alsace verweist auch auf ihre „grenzüberschreitenden Beziehungen" (Relations transfronta-
lieres);24 erwähnt werden der Historische Verein für Mittelbaden sowie der Landesverein Badische
Heimat e.V., doch weder das Alemannische Institut, dem Elsässer als ordentliche Mitglieder
angehören, noch der Breisgau-Geschichtsverein „Schau-ins-Land", noch die Kommission
für geschichtliche Landeskunde in Baden-Württemberg, noch die Pfälzische Gesellschaft zur
Förderung der Wissenschaften. Vielleicht nur eine Panne, wie sie immer mal vorkommt? Nicht
auszuschließen sind Gleichgültigkeit und Selbstgenügsamkeit. 1995 hat der langjährige Direktor
des Institut d'histoire d Alsace an der Universität Straßburg eine Aussage gemacht, für die er
Gründe gehabt haben wird: Nach wie vor sei die Bezeichnung germanophile, „deutschfreundlich
, Deutschenfreund" eine injure cle, eine „aufschlussreiche Verunglimpfung".25 Das zu erwähnen
, mag als unpassend gelten. Doch sind Ergänzungen und Richtigstellungen willkommen
; nur dann können sie gebracht werden, wenn vorher Beobachtungen festgehalten werden
und Kundige beiderseits des Rheins sie lesen.
Vom Umgang mit einem Kernbestand der Kultur
In der zweiten Hälfte der 1950er-Jahre habe ich im Elsass noch die eine oder andere verblassende
Inschrift wie ,Bäckerei' gesehen. Bei Wanderungen sind mir an Masten neue zweisprachige
Schilder mit dem charakteristischen Blitz aufgefallen: „HAUTE TENSION / ATTENTION
DANGER DE MORT / Hochspannung! Achtung Lebensgefahr!"
In Gottesdiensten wurden einzelne Gebete und Teile der Predigt auf Französisch, andere auf
Deutsch gesprochen; ich kann nicht sagen, ob die Aufteilung einer Regel folgte. In einer Kirche
waren die deutschen Kreuzwegstationen unter den Lettern der französischen noch zu erkennen.
Im Münster St. Theobald zu Thann hat man sich, wie ich noch 2008 sah, für Latein entschieden:
Die siebte Station lautet also: Jesus secunda vice labitur. Offensichtlich war man der Wechsel
überdrüssig: Als nicht mehr zeitgemäß galt einmal Jesus fällt zum zweiten Mal unter dem
Kreuz\ dann war Jesus tombe pour la deuxieme fois nicht recht. Eine Ausgabe des evangelischen
Gesangbuchs wurde gemeinsam für Baden und für Elsass und Lothringen erarbeitet, was her-
Internet: www.alsace-histoire.org/fr/relations-transfrontalieres/ (10.7. und 22.11.2014).
Bernard Vogler: Histoire politique de l'Alsace. De la Revolution ä nos jours, un panorama des passions
alsaciennes (La Bibliotheque alsacienne), Straßburg 1995, S. 339.
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