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Das ist nun auch im Blick auf die Geburtsszene im Vorhallen-Tympanon des Freiburger
Münsters von einiger Relevanz. Denn bei Joseph und seinem Hut weist da nichts auf eine negative
Wertung hin, auch nicht dies, dass er, der hier ja lediglich als „Nährvater" zu begreifen ist,
einigermaßen melancholisch den Kopf mit der Linken stützt.23 Er trägt denn auch keine Gugel,
sondern eine Kopfbedeckung, die sich nach oben hin verjüngt, sodass sich dabei auch nicht etwa
ein „Fingerling" nach vorne hin erstreckt. Der Hut sitzt ihm zudem nicht schief auf dem Kopf
bzw. rutscht nicht von dort herunter, wie es z.B. auf dem bereits erwähnten Blatt eines Evangeliars
der Trierer Dombibliothek der Fall ist.24 Und während Joseph gemäß dieser Miniatur in
einem separaten architektonischen Gebilde25 seinen Platz findet, getrennt von Mutter und Kind,
berührt seine Sitzbank in Freiburg - zumindest nahezu - das Bett Marias. Wenn bei diesem
Mann hier, anders als sonst gelegentlich, ein Nimbus sozusagen fehlt, so entspricht das im Übrigen
doch eher der Norm solch mittelalterlicher Zeugnisse,26 und es kommt hinzu, dass auch das
Vgl. Bachmann (wie Anm. 1), S. 99, ferner Dieter Gerhard Morsch: Die Portalhalle im Freiburger
Münster türm (Studien zur Kunst am Oberrhein 1), Münster u.a. 2001, S. 126 ( „Trauergestus"), überdies
noch das in der vorangehenden Anmerkung im Blick auf Kaufmann (wie Anm. 22), S. 15, Gesagte.
Wiederabdruck z.B. bei Bachmann (wie Anm. 1), S. 100, Abb. 78 (wo nicht ganz exakt vom Evangeliar
Heinrichs des Löwen die Rede ist). Diese farbige Version des Blattes, die mir erst während des Publikationsprozesses
meiner ikonografischen Studie von 2013 zugänglich wurde, zwingt zu einer Revision
der damals (ebd., S. 100) durch mich vertretenen Auffassung, Joseph sei hier nimbiert dargestellt. Was
bei schwarz-weißer Wiedergabe ein Nimbus zu sein schien, ist nun deutlich als ein blauer Abschnitt des
Hintergrunds erkennbar. Heinz Schreckenberg: Die christlichen Adversus-Judaeos-Texte (11.-13. Jh.).
Mit einer Ikonographie des Judenthemas bis zum 4. Laterankonzil (EHS XXIII,335), Frankfurt a. M.
u.a. 1988, S. 606, meint: Joseph erscheine hier „wie oft schläfrig und wie unbeteiligt", und ,,[s]ein großer
trichterförmiger Judenhut ist aus Platzgründen schief aufgesetzt, droht ihm also nicht vom Kopf zu fallen,
wie G. Schiller annimmt, die hier zu Unrecht eine Parallele zur fallenden Krone der Synagoga sieht" (vgl.
Ders.: Christliche Adversus-Judaeos-Bilder. Das Alte und Neue Testament im Spiegel christlicher Kunst
[EHS XXIII,650], Frankfurt a. M. u.a. 1999, S. 102, Abb. 41b, Beischrift: Joseph „trägt die Tracht eines
Juden des 12. Jh."). Ahnlich wie Gertrud Schiller: Ikonographie der christlichen Kunst I, Gütersloh
1966, S. 84, urteilen Erika Dinkler-von Schubert: Der Schrein der Hl. Elisabeth zu Marburg. Studien
zur Schrein-Ikonographie (Veröffentlichungen des Forschungsinstitutes für Kunstgeschichte Marburg/
Lahn), Marburg/Lahn 1964, S. 15f, und Mellinkoff, Outcasts I (wie Anm. 22), S. 80, die auch noch das
geschlossene linke Auge Josephs geltend macht, das sie nicht zuletzt mit der (u.a. durch 2 Kor 3,13-15/16
„bedingten") Binde über den Augen der Synagoge in Zusammenhang zu bringen versucht, die in mittelalterlichen
Zeugnissen bekanntlich oft begegnet, z.B. im Tucherfenster des Freiburger Münsters (siehe
etwa Bachmann [wie Anm. 1], S. 98, Abb. 2). Freilich, auf einer Miniatur des Psalters von Bonmont (13.
Jahrhundert) trägt Joseph seinen Judenhut ebenfalls nicht oben auf dem Kopf, hat das (wie es scheint:
durch eine Kordel gehaltene) Kleidungsstück vielmehr im Nacken (siehe Schreckenberg [wie Anm. 16],
S. 144, Abb. 23; vgl. ferner ebd., S. 134, Abb. 5, überdies Dinkler-von Schubert [s.o.], Tafel 12, Abb. 30,
und Mellinkoff, Outcasts II [wie Anm. 22], Abb. 111.92); dort nun sind die beiden Augen des „Nährvaters
" geöffnet und auf Maria sowie das Kind gerichtet.
Dass dabei, wie Dinkler-von Schubert (wie Anm. 24), S. 15, und Schiller (wie Anm. 24), S. 84, meinen,
wirklich an den Gebäudetypus „Synagoge" gedacht werden soll - oder gar auf „the temple of the Old Era"
angespielt sein könnte (so Mellinkoff, Outcasts II [wie Anm. 22], S. 80) -, ist schwerlich sicher (siehe
dazu Schreckenberg, Adversus-Judaeos-Texte [wie Anm. 24], S. 606), zumal gewisse Parallelen (siehe
bes. Schreckenberg [wie Anm. 16], S. 135, Abb. 6 [und ebd., S. 144, Abb. 23]) eher dagegen zu sprechen
scheinen. Vielmehr dürfte es naheliegen, die räumliche Separierung Josephs damit zu erklären, dass er
eben nur als „Nährvater" Jesu, nicht als dessen leiblicher Vater, begriffen wird.
Bei Dinkler-von Schubert (wie Anm. 24), S. 17 (vgl. etwa Schiller, [wie Anm. 24], S. 83), heißt
es meines Erachtens denn auch zu Recht: „Die Josephstypik mit Nimbus und Judenhut stellt also
[...] eine dem weitverbreiteten nativitas-Typus eingetragene Sonderform dar." Beispiele für die-
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