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damals - nicht eine Tonsur, sondern eher eine Krone gesichert sein wird). Cornelius P. Bock
formuliert dann 1862 hinsichtlich der Gestalt am Bett der Mutter Jesu bemerkenswerterweise:
„Mit der rechten Hand hält sie einen Kelch und unterstützt denselben mit der linken".47 Freilich,
Joseph Marmon sagt gut fünfzehn Jahre später: „an dem Kopfende des Bettes Maria's steht ein
Engel im Rauchmantel mit einem Leuchter".48 Genau eine solche (oder gar eben diese) Interpretation
kann natürlich (auch weil ikonografisch gilt, dass Engel nicht eben selten Kerzen tragen)49
zu der „Ergänzung unter Geiges" geführt haben!
Im Jahr 1906, heißt es dann auch - das kann jetzt, nach dieser „Ergänzung", natürlich kaum
verwundern - bei Friedrich Kempf bzw. Karl Schuster wieder ähnlich (wie bei Marmon): „am
Kopfende des Lagers steht ein gekrönter Engel mit Leuchter, ein symbolischer Hinweis auf das
Erscheinen des Lichtes der Welt" - und dabei wird übrigens keine spezifische Beziehung hergestellt
zur Gestalt „am Fußende", zu „Joseph, den Kopf mit dem Judenhut bedeckt".50 Eine solche
Auffassung wird selbst bei Konrad Kunze noch diskutiert, freilich mit einem schlagenden
Argument zurückgewiesen: „dagegen spricht, dass Engel keine Schuhe tragen."51 Die gekrönte,
feminin wirkende Gestalt weist denn auch eher auf eine ecclesia-Figur hin,52 und die vermutlich
im Zuge einer angelologischen (Fehl-)Interpretation vorgenommene „Ergänzung" zumal „der
Kerze" dürfte den ursprünglichen Bestand und die seinerzeit intendierte Aussageabsicht nicht
treffen. Es wird sich vielmehr einst wohl um einen Kelch gehandelt haben (vgl. Lk 22,20 bzw.
1 Kor 11,25: „Dieser Kelch [des Gedächtnisses an das letzte Mahl Jesu mit seinen Jüngern] ist
der neue Bund in meinem [Jesu] Blut") oder, weniger wahrscheinlich, um ein Kreuz (wie man
es ja bei Carl Rauch [ca. 1827] dargestellt findet). Und das, was in der „Lithographie des Architekten
August von Baier" und (jedenfalls) auf einem „vor 1887" entstandenen Tympanon-Foto
über den Rand einer ziemlich flachen Schale (o.ä.)53 hinausragt, könnte man für das Rudiment
eines Kreuzes halten oder doch eher für das Überbleibsel eines stilus (zwischen nodus und cup-
pd) bzw. einer früher deutlich höheren cuppa. Auch an eine (Mess-) Oblate ließe sich vielleicht
denken. Dafür, d.h. für so etwas wie einen Kelch mit einer über ihm schwebenden - gleichsam
senkrecht stehenden, zudem frontal sichtbaren - Hostie, fehlt es bei der durch eine Frauengestalt
symbolisierten ecclesia des Motivs „Kirche und Synagoge" nämlich nicht an Parallelen.54
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47 C[ornelius]. P. Bock: Der Bildercyclus in der Vorhalle des Freiburger Münsters, Freiburg 1862, S. 20.
Ebenso Ders.: Das Münster zu Freiburg, in: Christliche Kunstblätter. Organ des christlichen Kunstvereins
der Erzdiöcese Freiburg (Beilage zum Freiburger Kirchenblatt) 1862, S. 5f., 9f., 14-23, hier S. 18. Vgl.
Münzel (wie Anm. 3), S. 244.
Joseph Marmon: Unserer Lieben Frauen Münster zu Freiburg im Breisgau. Mit Ansicht und Grundplan
des Münsters, Freiburg 1878, S. 40.
Siehe dazu Laurentius Koch: Artikel „Engel VII: Ikonographisch", in: 3LThK 3, Freiburg 1995, Sp. 652f.,
hier Sp. 652. Vgl. oben (bei) Anm. 32.
Kempf/Schuster (wie Anm. 2), S. 86. Wenige Jahre zuvor formuliert Kurt Moritz-Eichborn: Der Skulp-
turencyklus in der Vorhalle des Münsters zu Freiburg im Breisgau, Diss. Heidelberg, Straßburg 1898,
S. 17, ähnlich: „Zu Häupten Marias tritt ein gekrönter Engel mit einer Leuchte in beiden Händen an ihr
Lager heran. Am Fussende sitzt Joseph auf einem Schemel".
Kunze (wie Anm. 15), S. 73.
Vgl. Bachmann (wie Anm. 1), S. 99-102, bes. S. 101 samt Anm. 30 (und die dortigen Querverweise),
ferner oben (bei) Anm. 15 und 18-31.
Vgl. dazu nur Rupert Berger: Artikel „Kelch", in: 3LThK 3, Freiburg 1996, Sp. 1384f., hier Sp. 1384.
Siehe dazu die bei Schreckenberg (wie Anm. 16), S. 31-78 („III. Ecclesia gegen Synagoga, Streit und
Versöhnung der beiden allegorischen Personifikationen"), zusammengetragenen, nicht eben wenigen
Beispiele, bes.: S. 37, Abb. 5, S. 61, Abb. 7, S. 63, Abb. 11, S. 66, Abb. 17 und S. 67, Abb. 20 (vgl. noch
ebd., S. 77, Abb. 13). Diese Exempel sind zwischen der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts und dem letz-
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