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Jutta Bendt: Ricarda Huch in Freiburg (Spuren 108), Deutsche Schillergesellschaft, Marbach 2015, 16
S., 15 S/W-Abb.
„Wir lesen die Zeitung immer nur mit Ekel" - so schrieb Ricarda Huch am 29. Juli 1935 aus Freiburg
ihrer langjährigen und engen Freundin Marie Baum nach Heidelberg. Nicht aus eigenem Antrieb hatte
es die berühmte Historikerin und Schriftstellerin ein knappes Jahr zuvor an die Dreisam verschlagen.
Vielmehr folgte sie der Familie ihrer Tochter Marietta, die mit dem an der Universität lehrenden Juristen
Franz Böhm verheiratet war. Seit der Machtübertragung an die Nationalsozialisten wurde es sehr ruhig
um die Goethe-Preisträgerin von 1931, und selbst das literaturinteressierte Freiburger Publikum nahm
ihre Gegenwart kaum wahr.
Jutta Bendt hat es sich zur Aufgabe gemacht, die nur knapp anderthalb Jahre währende Freiburger
Zeit im bewegten Leben der heute kaum noch bekannten Schriftstellerin zu beleuchten. Das hierfür
gewählte Format, die in ansprechender Ausstattung erschienenen, nur einen Druckbogen umfassenden
„Spuren"-Hefte der Marbacher Schillergesellschaft, eignet sich vorzüglich für dieses Vorhaben. Denn
obwohl Ricarda Huch in Freiburg tatsächlich kaum Spuren hinterlassen hat, wäre es doch sehr schade
gewesen, wenn ihre Anwesenheit im Dunkeln geblieben wäre. Die mit Unterstützung der hiesigen
Archive geführte Recherche ergab u.a., dass Ricarda Huchs Anwesenheit nicht einmal im Adressbuch
registriert war, denn sie lebte in der Wohnung ihres Schwiegersohns in der Günterstalstraße 72, die im
März 1936, noch während ihrer Freiburger Zeit, in Adolf-Hitler-Straße umbenannt wurde. Dies muss der
zwar nationalkonservativ, gleichzeitig aber „intellektuell eigensinnig und unorthodox in Denken und
Handeln" (S. 1) agierenden, vor allem mutig und dezidiert anti-nationalsozialistisch eingestellten Schriftstellerin
höchst absurd erschienen sein. Hatte sie, 1926 als erste Frau überhaupt in die Sektion Dichtkunst
der Preußischen Akademie der Künste berufen, doch dort am 9. April 1933 demonstrativ ihren Austritt
erklärt, weil sie weder deren Gleichschaltung noch den Ausschluss ihrer Kollegen Heinrich Mann und
Alfred Döblin hinnehmen wollte.
In ihrer Freiburger Zeit arbeitete Ricarda Huch intensiv am zweiten Band ihrer „Deutschen Geschichte
", deren erster Band 1934 erschienen und von der offiziellen Literaturkritik verrissen worden war.
Ihre sozialen Kontakte in Freiburg beschränkten sich auf wenige Kollegen und Vertraute ihres Schwiegersohns
Franz Böhm, dem Mitbegründer der „Freiburger Schule" und Vordenker der sozialen Marktwirtschaft
. Aus den vielen Briefen, die sie und ihre Tochter an Marie Baum nach Heidelberg schickten
und die heute im Literaturarchiv Marbach liegen, rekonstruiert Jutta Bendt akribisch die Stimmungslage
im Hause Böhm und vermittelt damit ganz nebenbei erstaunliche Einblicke in das damalige Innenleben
der Universität, vor allem des Instituts für Rechts- und Staatslehre, denn beide Frauen berichteten ihrer
Freundin bzw. Patin ausführlich über die heimischen Tischgespräche.
Als Franz Böhm im Sommer 1936 eine Lehrstuhlvertretung in Jena annahm, endete auch für Ricarda
Huch ihre Freiburger Zeit, der sie letztlich sogar positive Aspekte abgewinnen konnte. Zumindest brachte
sie Anfang Mai 1937 zu Papier, sie erinnere sich „an das verlorene Paradies" in Freiburg zurück. Seit 1982
hält auch die Dreisamstadt mit einer Ricarda-Huch-Straße die Erinnerung an ihre frühere Bewohnerin
wach. Ute Scherb
Freiburger Münster. Verborgene Schätze. Die Sammlungen des Münsterbauvereins, hg. vom Freiburger
Münsterbauverein (Schriftenreihe Münsterbauverein 6), Rombach Verlag, Freiburg/Berlin 2015, 184
S.,154 Färb- und S/W-Abb.
Als Band 6 der verdienstvollen neuen Schriftenreihe des Freiburger Münsterbauvereins ist im 125. Jubiläumsjahr
2015 eine Vorstellung seiner verschiedenen Sammlungen erschienen.
Ihre Entstehung und Funktion beleuchtet Münsterbaumeisterin Yvonne Faller in ihrem einführenden
Aufsatz. Schon vor der Vereinsgründung im Jahr 1890 führte eine auswärtige Expertenkommission eine
umfassende Bestandsaufnahme durch. Angesichts des dabei festgestellten schlechten Bauzustandes des
Münsters ergriff Oberbürgermeister Otto Winterer die Initiative und rief die Bürgerschaft zur Gründung
eines Münsterbauvereins auf. Bereits im Gründungsjahr standen Mittel zur Verfügung, mit denen über
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