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von Fürstenberg mussten wegen der Pest - sie wird ausdrücklich genannt - ihren Besitz in ihrer
Herrschaft Badenweiler verkaufen, weil durch den Rückgang der Bevölkerung nicht mehr
genügend Abgaben zusammenkamen, was sich auf die Finanzkraft der Adeligen auswirkte.
Vielleicht war dies auch für die Benediktinerabtei Anlass zur Besitzveräußerung.45
Zwar werden in den folgenden Jahrhunderten keine Pestjahre für Riegel überliefert, jedoch
lässt ein Blick auf die Bevölkerungsentwicklung die Vermutung zu, dass durch irgendwelche
hemmenden Gründe - und das könnte eine Pestepidemie gewesen sein - die Einwohnerzahl
nicht wie erwartet stieg, sondern stagnierte oder gar abnahm. 1475 lebten in 100 Haushaltungen
etwa 600 Einwohner. 50 Jahre später gibt es sogar eine genaue Aufstellung, wie sich die
Personen zuteilen lassen: „Im Jahre 1525 waren es 101 Häuser, nämlich 80 von gemeinen
Leuten (= Bürgerhäusern), 1 Edelmannshaus (= Schloß) derer von Blumeneck, 3 Pfarrhäuser,
1 Schwesternhaus (= Kloster), 1 Waisenhaus, 11 Witwenhäuser, 1 Mühle, 3 leere Häuser und
2 Hausleute, damit etwa 600 Einwohner." 1618 wäre ein höheres Wachstum als nur bis auf 800
Personen zu erwarten gewesen, außerdem blieb es bei dieser Anzahl bis 1632. Dann setzte kriegsbedingt
die Flucht aus dem Ort ein, dazu kommen die Kriegseinwirkungen durch Totschlag,
Hunger und Pest. Die restliche Bevölkerung fiel auf 100 Einwohner zurück. Eine unbekannte
Anzahl der Geflohenen kehrte nach dem Krieg zurück, dazu kamen Einwanderungen vor allem
aus der Schweiz und anderen Gegenden. Bereits 1651 hatte Riegel wieder 150 Einwohner.46
Inwiefern der nördlich, an die Gemarkung Kenzingen angrenzende Riegeler Flurnamen
„Schelmenkopf" auf dort einst begrabene Pesttoten hinweist, muss Spekulation bleiben, da der
Begriff „Schalm/Schelm" nicht nur mit „Pest", sondern auch mit „Seuche, toter Körper, Aas"
oder „Kadaver" übersetzt werden kann.47 Anzumerken ist in diesem Zusammenhang, dass es
in Eichstetten auch einen Acker mit der Bezeichnung schelmen mettlin gab.48 Fast in der gleichen
Bedeutung wird das Wort „Kaib" benutzt. Dass tatsächlich an so einem Platz Pestleichen
beerdigt wurden, bestätigt der Name „Keip-Acker" für den Friedhof St. Anna in Colmar, der
außerhalb der Stadtmauer lag und wo man entsprechende Seuchenopfer beisetzte.49 Beispiele
aus Gemeinden im Kaiserstuhl sind z.B. die Kaibengasse in Achkarren, das keibengesslin und
schelmen geßlin in Bickensohl oder der 1456 in Oberbergen genannte Kaibenplatz. Außerdem
gibt es das Kaibengäßle und die Schalmengasse, die in Richtung Kiechlinsbergen führt, und in
Oberrotweil das Keibengäßlin.50
Zum Schluss bleibt anzuzeigen, dass in der Riegeler Pfarrkirche St. Martin die beiden
Pestheiligen Sebastian und Rochus (Abb. 7), die heute ihren Platz am Chorgestühl rechts und
links haben, ursprünglich am Altar des ehemaligen Liebfrauenchörles standen. Eine weitere
Pestheilige stellt die Figur der heiligen Franziska von Rom am Marienaltar dar (Abb. 8). Diese
Heilige ist aber nicht wegen der Pest in die Kirche gekommen, sondern weil sie den gleichen
Vornamen wie deren Stifter in trug.51 Bis zum Brand der Pfarrkirche 1936 war dort auch ein
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45 Michels (wie Anm. 44), S. 16; Futterer (wie Anm. 38), S. 109; Wolfram Becherer: Johann Malterer -
ein Millionär des Mittelalters, in: Riegeler Almanach 2009, S. 19-23.
Adolf Futterer: Der Marktflecken Riegel, in: 1200 Jahre Riegel 762-1962, Festschrift, Riegel 1962, [S.
21-31]; Michels (wie Anm. 44), S. 24.
Barbara Boos: Flurnamen, in: Riegeler Almanach 1992, S. 40-42; Hermann Fröhlich/Inge Boos/
Mechthild Michels: Flurnamen, in: Riegeler Almanach 1993, S. 51-53.
Albert Hiss: Die Flurnamen von Eichstetten am Kaiserstuhl, Diss., Heidelberg 1940, S. 143.
Klaus Peter Roos: Die Furnamen der Freiburger Bucht, Diss., Freiburg 1966, S. 388; Dorothea Wenninger
: Flurnamen im KaiserstuhL Frankfurt 1997.
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Wenninger (wie Anm. 49), S. 57, 94, 106, 209, 230 und 274.
Mechthild Michels: Katholische Pfarrkirche St. Martin Riegel, Lindenberg 2005, S. 56f. Grabmal der
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