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Die konfessionelle Spaltung der Region
Im Nürnberger Reichstag von 1524 war die Einberufung eines Nationalkonzils beschlossen
worden. Aufgrund des Einspruchs des neuen Papstes Clemens VII. verbot der Kaiser im August
des Jahres das Projekt. Schon zuvor hatte indes Erzherzog Ferdinand die beiden Universitäten
seiner Lande, Wien und Freiburg, beauftragt, eine wissenschaftliche Stellungnahme zu den
Lehrsätzen Luthers zur Vorbereitung auf die geplante Versammlung der Reichsstände zu erstellen
. Der Theologe und damalige Rektor Georg Wägelin informierte den Senat und erarbeitete
ein Gutachten mit 39 Beschwerdepunkten gegen die lutherischen Positionen. Im Anschluss an
die Widerlegung der lutherischen Kernsätze enthält die Quelle indes etwas Überraschendes:
Eine Aufzählung von 20 Beschwerden über bestehende Missstände der Kirche. Abzuschaffen
sei die päpstliche Ablasspraxis; die finanzielle Ausbeutung der Pfarreien und Diözesen durch
die von Rom gegen Geld erteilten Dispense; das Auftreten der Wanderprediger, die für bestimmte
Schutzpatrone sich Geldspenden von den Gläubigen verschafften, indem sie von lauter
erfundenen Wundern und Wunderheilungen berichteten und vieles mehr. Die Freiburger
Hochschule verfolgte offenbar eine Doppelstrategie mit ihrem Gutachten für das erwartete
Nationalkonzil: Luther nein, entschiedene Reformen ja. Das Nationalkonzil fand nie statt. Das
Freiburger Gutachten landete in den Akten und war absolut wirkungslos. Das Gutachten ist
kein Meisterwerk, keine umfassende Denkschrift. Aber es ist wohl ein Zeugnis für die ambivalente
Haltung der Freiburger Gelehrten und die noch unentschiedene Situation in Bezug auf
die Konfessionsfrage drei Jahre nach dem Wormser Edikt. Als 1525 vom Senat verlangt wurde,
die lutherisch gewordenen ehemaligen Studenten als „Ketzer" aus der Matrikel der Universität
zu streichen, weigerten sich die Professoren; dafür gäbe es kein Mandat der Landesherrschaft.
Zur endgültigen Abkehr von Luther führte in den habsburgischen Landen der Bauernkrieg
1525. Der wurde hier als gewaltsame Manifestation der reformatorischen Lehre verstanden.
Schon im ersten der „Zwölf Artikel" forderten die Bauern z.B. die freie Wahl des Pfarrers
(auch in Dorfgemeinden). In allen Artikeln wurde die Übereinstimmung der Forderungen mit
dem Wort Gottes betont. Es gab etliche Pfarrer, die sich dem Aufstand des gemeinen Mannes
anschlössen. Andreas Metzger, Pfarrer von Niederrimsingen a. K., nahm an der Plünderung
des Adelsschlosses in Munzingen teil, wurde von den Freiburgern gefangen genommen und
an den Galgen gehängt. Zasius nannte Luther nun den nichtsnutzigsten [nequissimus] aller
Zweibeiner21, weil er den Aufruhr (der Bauern) in ganz Deutschland entfacht habe. Dabei hat
Luther den Aufstand der Bauern in aller Schärfe verurteilt und erklärt, man soll die Rebellen
„wie tolle Hunde" erledigen. Die Stühlinger Bauern, die 1524 den Aufstand entfachten, waren
vom Waldshuter Stadtpfarrer Balthasar Hubmaier (Abb. 5) unterstützt worden. Der hatte
vormals auch in Freiburg studiert, promovierte bei Johannes Eck und kam schließlich
an den Hochrhein. Nach der Niederlage der Bauern floh er in die Schweiz, schloss sich der
Täuferbewegung an, warb dann für deren Lehre in Mähren und wurde 1528 festgenommen, als
Ketzer verurteilt und verbrannt; seine Frau ertränkte man in der Donau. Das gleiche Schicksal
widerfuhr dem Benediktinermönch Michael Sattler aus dem Kloster St. Peter. Er verließ, fasziniert
von Luthers Auslegung der Paulusbriefe, den Orden, heiratete und trat den Täufern bei,
für die Thomas Müntzer damals am Hochrhein Anhänger gewann. Sattlers Gelehrsamkeit verschaffte
ihm großes Ansehen unter den Täufern. Er formulierte in den „Schleitheimer Artikeln"
ihr Glaubensbekenntnis (Abb. 6). 1527 wurde er in Rottenburg zusammen mit seinen getreues-
ten Anhängern gefangen gesetzt, verurteilt und auf dem Scheiterhaufen verbrannt.
Hagenmaier (wie Anm. 1), S. 137.
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