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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2017/0114
litisch auf Rechtskurs bringen wollte.100 Kuenzer sah sich deshalb gezwungen, diese Tätigkeit
bereits 1927 wieder aufzugeben. Er arbeitete sodann als Wirtschaftsexperte für verschiedene
Unternehmen und seit 1931 auch als selbständiger Devisenexperte.101 Von 1925 bis 1930 war
er außerdem Mitherausgeber der katholischen Zeitschrift „Abendland", die sich kulturpolitischen
Fragen widmete. Kuenzer galt als einer der prominentesten Vertreter des politischen
Katholizismus in Deutschland.102 Er trat für eine europäische Friedenspolitik ein und unterstützte
die Vision der „Vereinigten Staaten von Europa", war also Anhänger des Paneuropa-
Gedankens.103 Als aktives Mitglied im Friedensbund deutscher Katholiken104 erfuhr er Kritik
aus Zentrumskreisen, vor allem aber rief er damit die Missbilligung der neuen Machthaber
hervor.105 Kuenzer sah jedoch in dem Eintreten für eine europäische Verständigungs- und
Versöhnungspolitik die Grundbedingung nationaler Stabilität. In seiner Anklageschrift wird
er später als friedenssüchtig bezeichnet werden.106 1933 wurde er als engagierter Katholik und
ehemaliges Zentrumsmitglied von den Nationalsozialisten in den endgültigen Ruhestand versetzt
.107 Bereits 1925 hatte er im Alter von 49 Jahren die zwanzig Jahre jüngere Gerda Gräfin zu
Inn- und Knyphausen geheiratet. Sein einziges Kind Monika wurde 1931 geboren.

Von Anfang an war Kuenzer ein entschiedener Gegner des Nationalsozialismus, durch
den er auch all seine Hoffnungen auf eine Rehabilitation Deutschlands zerstört sah. Zum ersten
offenen Konflikt kam es, als Kuenzer 1935 auf einer Abendgesellschaft im Beisein eines
NSDAP-Mitglieds eine abfällige Bemerkung über den „Götzendienst" an Hitler machte. Nur
der Fürsprache eines ehemaligen Kollegen im Auswärtigen Amt soll es zu verdanken gewesen
sein, dass Kuenzer zu diesem Zeitpunkt noch einmal ungeschoren davon kam.108 Anzeigen gegen
ihn wurden auch aus den Reihen der eigenen Hausangestellten gestellt.109 Unerschrocken,
fast leichtsinnig, so beschreibt ihn seine Tochter Monika, nahm er nie ein Blatt vor den Mund.
Seine Frau habe in ständiger Angst um ihn gelebt. Die Tochter erzählt, wie er auf einer Zugreise
während des Krieges im Abteil laut seine Kritik am Regime geäußert habe. Dass ihnen dabei
ein Uniformierter gegenübersaß, habe ihn nicht gestört.110

Spätestens seit der zweiten Hälfte der 1930er-Jahre stand Kuenzer in Verbindung mit
mehreren Widerstandskreisen.111 In den Jahren 1940/41 unternahm er nochmals im Auftrag

101
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100 Vgl. zu diesem Konflikt um die politische Richtung der „Germania" Jürgen A. Bach: Franz von Papen in
der Weimarer Republik. Aktivitäten in Politik und Presse 1918-1932, Düsseldorf 1977, S. 192-315; ferner
Briefwechsel zwischen Kuenzer und von Papen, Privatbesitz der Familie Kuenzer.

Uwe Schellinger: Richard Kuenzer, in: Badische Biographien N.F. V (wie Anm. 50), S. 165-167.

Vortrag von Uwe Schellinger (wie Anm. 99).

Vgl. Richard Kuenzer: Die Außenpolitik des Zentrums. Für Einheit und Freiheit des Reichs und für Verständigung
zwischen den Nationen, in: Nationale Arbeit. Das Zentrum und sein Wirken in der deutschen
Republik, hg. von Karl Anton Schulte, Berlin/Leipzig 1929, S. 75-118.

Vgl. Beate Höfling: Kath. Friedensbewegung zwischen zwei Kriegen. Der „Friedensbund Deutscher
Katholiken" 1917-1933 (Tübinger Beiträge zur Friedensforschung und Friedenserziehung 5), Waldkirch
1979.

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Schellinger, Tod eines „Friedenssüchtigen" (wie Anm. 74), S. 430.

Anklageschrift gegen Richard Kuenzer und andere, Institut für Zeitgeschichte München, Fa 117/305.
Zum Gedenken (wie Anm. 74).

Schellinger, Tod eines „Friedenssüchtigen" (wie Anm. 74), S. 431.
109 Richard Kuenzer an seine Frau Gerda. 14.12.1941. Privatbesitz der Familie Kuenzer.

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So Monika Popitz-Kuenzer in der Diskussion im Anschluss an den Vortrag am 2. Mai 2005 in Freiburg
(vgl. Anm. 99).

Schellinger (wie Anm. 101), S. 166; Ders., Tod eines „Friedenssüchtigen" (wie Anm. 74), S. 431.

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