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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2017/0115
des Auswärtigen Amtes verschiedene Kurierreisen. Dabei benutzte er die Auslandreisen, um
verschiedene wichtige Kontakte herzustellen oder aufrechtzuerhalten, etwa zum ehemaligen
Reichskanzler und Regimegegner Joseph Wirth in dessen Schweizer Exil.112 Auch zu dem
Widerstandskreis um Carl Friedrich Goerdeler hatte er Beziehung.113 Kuenzer gehörte dem Solf-
Kreis an, der Widerstandsgruppe der traditionellen Eliten um die Witwe des einstigen kaiserlichen
Außenministers Wilhelm Solf,114 die in Berlin Diplomaten, Künstler, Intellektuelle um sich
versammelte.115 Ihre Tochter Lagi Gräfin Ballestrem-Solf beschreibt diesen Oppositionskreis
wie folgt: „Her home (her mother's, Anm. d. Autorin) became a sort of political oasis where our
friends and other like-minded people could speak freely, vent their disgust and despair, receive
information, and take counsel."116 Lagi Ballestrem, von Anfang an entschiedene und selbst aktive
Gegnerin des Nationalsozialismus, war gleichzeitig mit Kuenzer in Ravensbrück inhaftiert.
Kuenzer galt als der eigentliche Kopf der Zusammenkünfte des Solf-Kreises.117 Er selbst hat unter
großem Einsatz unzähligen Juden geholfen, zunächst finanziell, später auch durch konkrete
Aktionen wie dem Verstecken im eigenen Haus.118

Seine Bekanntschaft mit dem katholischen Priester Dr. Max Josef Metzger, mit dem er
im Hause Solf zusammengetroffen war, wurde ihm letztlich zum Verhängnis, weil Metzger
während seiner Verhöre auch auf Kuenzer zu sprechen kam.119 Im Juli 1943 verhaftete man
Kuenzer und verbrachte ihn zunächst in das „Hausgefängnis" der Gestapo in der Prinz-
Albert-Straße, später nach Ravensbrück. Der inzwischen fast 70-jährige Kuenzer wurde dort
mehrfach unter Folter verhört.120 Sowohl die spätere Ordensschwester Isa Vermehren als auch
Lagi Ballestrem berichteten von den grausamen Züchtigungen, unter denen Kuenzer dort zu
leiden hatte.121

Nach dem Attentat auf Hitler 1944 brachte man ihn auch mit den Kreisen des „20. Juli" in
Verbindung. Seine Frau Gerda wurde daraufhin im August 1944 in Potsdam in Sippenhaft genommen
. Kuenzer ließ sich von alldem nicht beugen. Noch während seiner Haftzeit verfasste er
ein für die Zeit nach dem NS-Regime gedachtes Manifest, in dem er Hitler jegliche Fähigkeit als

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Schellinger (wie Anm. 101), S. 166.

Vgl. Max Miller: Eugen Bolz, Staatsmann und Bekenner, Stuttgart 1951, S. 486f. Kuenzer stand auch
mit dem württembergischen Staatspräsidenten Eugen Bolz in persönlichem Kontakt; vgl. Schellinger,
Tod eines „Friedenssüchtigen" (wie Anm. 74), S. 431, Anm. 24.

Solf (wie Anm. 99).

Lagi Countess Ballestrem-Solf: Tea Party, in: We survived. The Stories of Fourteen of the Hidden and
the Haunted of Nazi Germany, hg. von Eric H. Boehm, New Häven 1949, S. 132-149, hier S. 133ff.

116 Ebd., S. 133.

Vgl. Hugo Stehkämper: Protest, Opposition und Widerstand im Kreis der (untergegangenen) Zentrumspartei
. Ein Überblick, Teil II: Widerstand, in: Der Widerstand gegen den Nationalsozialismus. Die
Deutsche Gesellschaft und der Widerstand gegen Hitler, hg. von Jürgen Schmädeke und Peter Steinbach,
München 1985, S. 888-916, hier S. 893f. und 912, Anm. 33.

Vortrag von Uwe Schellinger (wie Anm. 99).

Schellinger, Tod eines „Friedenssüchtigen" (wie Anm. 74), S. 432.

Vgl. Johannes Tuchel: Die Sicherheitspolizeischule Drögen und der 20. Juli 1944 - zur Geschichte der
„Sonderkommission Lange", in: Fürstenberg-Drögen. Schichten eines verlassenen Ortes, hg. von Florian
von Buttlar, Stefan Endlich und Annette Leo, Berlin 1994, S. 120-143, bzw. Egon Litschke/Kristina
Schlaefer: Der Zellenbau Ravensbrück, hg. von der Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück, Fürstenberg
1987. Zur grausamen Behandlung Kuenzers in dieser Zeit siehe auch Ballestrem-Solf (wie Anm. 115),
S. 139f.

121 Isa Vermehren: Reise durch den letzten Akt. Ravensbrück, Buchenwald, Dachau. Eine Frau berichtet,
Reinbek bei Hamburg 1979, S. 32-42; Ballestrem-Solf (wie Anm. 115), S. 139.

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