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1880 war Seiinger bereits nach Amerika zurückgekehrt48 und hatte in Providence
(Hauptstadt des US-Bundesstaates Rhode Island) ein art studio eröffnet. Dort lernte er die aus
Wilmington (North Carolina) stammende Künstlerin Emily Harris McGary (1848-1927) kennen
, die er am 9. Oktober 1882 heiratete. Noch im gleichen Jahr verließ das Ehepaar Amerika,
um sich drei Jahre lang überwiegend in Deutschland aufzuhalten. Es folgten ausgedehnte
Aufenthalte in Florenz und Venedig.49 Der Europa-Aufenthalt der Seiingers scheint Emily
der französischen Sprache angenähert zu haben, was dazu führte, dass ihr Ehemann seine
Vornamen in „Jean Paul" umänderte. Nach seiner Rückkehr in die Heimat verbrachte das
Ehepaar Seiinger die Sommermonate regelmäßig im Hotel „Glen House" am Fuß des Mount
Washington in den White Mountains (New Hampshire), wo Jean Paul gemeinsam mit Emily
ein summer art studio unterhielt, das sich bei den illustren Hotelgästen offensichtlich großer
Beliebtheit erfreute und dem Künstlerehepaar darüber hinaus lukrative Aufträge einbrachte.
Allzu lange sollten diese Sommeraufenthalte allerdings nicht währen, fiel doch das „Glen
House" im Juli 1893 einem Brand zum Opfer. Ein Zufall bescherte dem Ehepaar Seiinger
glücklicherweise eine Ausweichmöglichkeit: Der Bostoner Künstler Frank Henry Shapleigh
(1842-1906, Abb. 3) und seine Frau Mary Adaline Studley begaben sich im Jahr 1894 auf eine
Europareise. Mit der Sommerresidenz der Seiingers vergleichbar, hatte Shapleigh bereits seit
1879 im unweit des „Glen House" gelegenen „Crawford House" ein summer art studio belegt,
das Jean Paul und Emily nun interimsmässig übernehmen konnten. Aus der provisorischen
Lösung wurden dauerhaft Aufenthalte: Die Seiingers verbrachten die Sommermonate fortan
bis zum Tod des Künstlers (11. September 1909) in „Crawford House", wo sie eine Vielzahl
persönlicher Kontakte knüpften und unterhielten (Abb. 4, 8 und 9).
Der Künstler und der Gelehrte -
auf der Suche nach den gemeinsamen Wurzeln
Wie eingangs dieses Beitrags bereits bemerkt, scheint in Jean Paul Seiinger spätestens in den
frühen 1890er-Jahren der Wunsch erwacht zu sein, den ihm bis zum damaligen Zeitpunkt offensichtlich
weitgehend unbekannt gebliebenen familiengeschichtlichen Wurzeln nachzuspüren.
Die tieferen Gründe für dieses möglicherweise spontan einsetzende Interesse liegen bislang
weitgehend im Dunkeln, ebenso die konkreten Umstände, die den Maler gegen Ende des Jahres
1890 - Seiinger war damals bereits 40 Jahre alt - dazu bewogen, sich in brieflicher Form an
die Adresse von Reverend Joseph Seiinger zu wenden, der zu jener Zeit als Theologe am 1845
gegründeten römisch-katholischen „St. Francis de Sales Seminary" in Milwaukee (am Westufer
Am 30.12.1879 schrieb Wilhelm Leibi in München einen Brief an Sylvester Rosa Koehler (1837-1900),
den Herausgeber der Zeitschrift „The American Art Review" (1879-1881), in welchem er (im Falle einer
persönlichen Begegnung) Hrn Sellinger Grüße ausrichten lässt. Zu diesem Zeitpunkt scheint der Künstler
somit bereits wieder in seiner Heimat ansässig geworden zu sein. Druck: ebd., S. 543 (Dokument Nr. 3).
Regest: Wilhelm Leibi (1844-1900). Briefe mit historisch-kritischem Kommentar. Gesamtverzeichnis
des schriftlichen Nachlasses, hg. und erl. von Boris Röhrl, Hildesheim/Zürich/New York 1996, S. 311,
Nr. 123.
In diese Zeit fällt offenbar auch eine gemeinsam mit dem bekannten Schweizer Maler Arnold Böcklin
(1827-1901) in Italien unternommene Reise - zumindest findet sich in einem Nachruf auf Jean Paul Seiinger
ein entsprechender Hinweis, American Art News, Bd. 7, Nr. 35 (20.9.1909), S. 6 („Obituary"); www.
jstor.org/stable/25590493?seq=1 #page_scan_tab_contents (26.8.2015).
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