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England ab. Finanziell sicher nicht auf Rosen gebettet waren Joseph Grimes aus Middleton
in der Grafschaft Oxford, der seit 1860 in Freiburg lebte, und seine deutsche Frau Christina,
geb. Herr. Die beiden wohnten in einem Mehrfamilienhaus Herrenstr. 60. Während er sich als
Sprachlehrer durchbrachte, betrieb seine Frau ein Strohhutgeschäft, in das dann die Tochter
Luise mit einstieg, als der Vater 1888 im Alter von 64 Jahren starb.29
Weniger bedeutend scheint zumindest Ende des 19. Jahrhunderts der Anteil von Studenten
an der englischsprachigen „Community" in Freiburg gewesen zu sein. Unter den 1.143
Teilnehmern an Lehrveranstaltungen der Universität im Wintersemester 1896/97 konnten nur
sieben Briten und sechs Amerikaner ermittelt werden. Die meisten von ihnen waren in den
Fächern Medizin und Chemie eingeschrieben. Im Sommersemester 1900 waren unter den 1.814
Freiburger Studenten fünf Briten und 21 Amerikaner, auch hier wieder überwiegend Chemiker
und Mediziner.30
Ein jähes Ende fand die „Englische Colonie" in Freiburg beim Ausbruch des Ersten
Weltkriegs. Die meisten Briten verließen als nunmehrige Angehörige eines Feindstaates das
Land. Die Anglikanische Kirche und das erst 1899 noch dazu gebaute Pfarrhaus wurden nicht
länger benutzt und geschlossen. Der letzte Pfarrer, Reverend William Macintosh, der 1906
aus Gotha nach Freiburg versetzt worden war, wurde zunächst in einem Internierungslager
bei Baden-Baden und dann in Ruhleben bei Berlin festgesetzt. Da die Kirche und das verwaiste
Pfarrhaus nach einiger Zeit begannen, einen ungepflegten Eindruck zu machen und
Scheiben zu Bruch gingen, schritt 1915 die Stadt ein.31 Bei der Suche nach einem oder einer
für die Gebäudeverwaltung Verantwortlichen ermittelte man die Medizinalratswitwe Mary
Jaegerschmid, geb. Clarke, die in der Erwinstraße wohnte. Sie hatte in der Tat den Schlüssel
zum Pfarrhaus und gab an, schon mehrfach dort gewesen zu sein, um Gläser mit Eingemachtem
zu holen und sie dem Pfarrer ins Internierungslager zu schicken. Auch hätte sie schon einen
Angestellten der Stadtwerke, der zur Abholung der Gasuhr gekommen sei, ins Haus gelassen.
Von Frau Jaegerschmid erfuhr die Stadtverwaltung zudem, dass der Fabrikant Paul Mez, der mit
Ethel, geb. Edwards, verheiratet und bis zum Krieg ein führendes Gemeindemitglied gewesen
sei, die Schlüssel zur Kirche habe. Nun konnte sich ein Kontrolleur des Stadtbauamts Zugang
zu den Gebäuden verschaffen. Dabei stellte sich heraus, dass im Pfarrhaus durch Einfrieren
und Platzen mehrerer Wasserrohre erhebliche Schäden eingetreten waren. In der Kirche war
bis auf das Fehlen einiger Altargerätschaften, die Paul Mez in Gewahrsam genommen hatte,
und bis auf die von jugendlichen Rowdies eingeworfenen Scheiben noch alles in Ordnung. Die
Beseitigung der Schäden wurde veranlasst.
Im August 1917 wandte sich der Pfarrer der evangelischen Ludwigskirche an die Stadt, um
für Gottesdienste im Freiburger Lager für kriegsgefangene britische Offiziere, für die er zuständig
war, ein bestimmtes Kruzifix und ein Altartuch aus der anglikanischen Kirche auszuleihen.
Man fand heraus, dass die gewünschten Gegenstände bei Paul Mez waren. Die Ausleihe kam
nicht zustande, aber noch im September 1917 gaben in Freiburg ermittelte Gemeindemitglieder
der Anglikaner ihre Zustimmung, dass Gesangbücher und Bibliothek der Gemeinde den
Kriegsgefangenen zur Verfügung gestellt würden. Den entsprechenden Revers unterschrieben:
Gräfin Anna Jenison, Freifrau Elisabeth von Seckendorff (geb. Jenison), Freifrau Sonia von
StadtAF, Sterberegister 1888.
Verzeichnis der Behörden, Lehrer, Anstalten, Beamten und Studierenden auf der Grossherzoglich Badischen
Universität Freiburg. Wintersemester 1896/97, Freiburg 1896/Sommersemester 1900, Freiburg
1900.
StadtAF, C3/327/6 Übernahme der Kirche und des Pfarrhauses der englischen Kirche in städtisches
Eigentum, 1917-1922.
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