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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2017/0176
1514 leitet Nina Kühnle die These ab, dass sich der Aufstand des „Armen Konrad" positiv auf die Bedeutung
der württembergisehen „Funktionseliten" und der städtischen Führungsgruppen auswirkte (S.
291-323). Georg Moritz Wendt richtet seinen Beitrag (S. 325-342) auf die politischen Konflikte von 1514
in Schorndorf und 1567 in Kirchheim aus und interpretiert sie als Beispiele akzeptanzorientierter Mechanismen
zur Stabilisierung der Herrschaft des Herzogs. Hermann Kamp hebt in seinem Beitrag die heikle
politische Lage in den burgundischen Territorien zwischen 1477 bis 1493 hervor. Insbesondere geht es um
den Krieg, der 1493 zwischen Maria von Burgund und König Maximilian I. einerseits und dem französischen
König Ludwig XI. andererseits ausbrach und zur Aufteilung des burgundischen Erbes führte (S.
343-362). Niklas Konzen und Barbara Trosse ziehen in fünf Punkten ein Fazit des Bandes (S. 363-372).
Hinsichtlich der Beiträge im zweiten Abschnitt verwundert es, dass die Autoren einen Vortrag des Frühneuzeithistorikers
Ronald G. Asch über die kirchenpolitisch-konfessionellen Verhältnisse in Großbritannien
besprechen (S. 368), der nicht in selben Studienband wiedergegeben worden ist.

Ein Register der wichtigsten Personen- und Ortsnamen schließt den Band ab (S. 373-382). Mit der
Veröffentlichung dieser Beiträge wird der 500. Jahrestag der Reformation sicherlich neue Denkanstöße
erhalten können. Marco Leonardi

Manfred Bosch/Oswald Burger: „Es war noch einmal ein Traum von einem Leben." Schicksale jüdischer
Landwirte am Bodensee 1930-1960. Mit einem Beitrag von Christoph Knüppel (Südseite. Kultur
und Geschichte des Bodenseekreises 3), UVK Verlagsgesellschaft, Konstanz/München 2015, 240 S.,
zahlr. Färb- und S/W-Abb.

In Südwestdeutschland lebten bis in die nationalsozialistische Zeit hinein zahlreiche Jüdinnen und Juden
auf dem Land. In den „Judendörfern" - Orten mit eigenen Synagogen-Gemeinden - waren sie als Hausierer
und Vieh-, Getreide- oder Textil-Händler tätig und betrieben in der Regel auch ein landwirtschaftliches
Nebengewerbe. Darum geht es in diesem Buch nicht. Die Kulturwissenschaftler und Historiker
Manfred Bosch und Oswald Burger, ausgewiesen durch zahlreiche wichtige Publikationen zur neueren
Geschichte der Gegend am Bodensee, stellen die Schicksale jüdischer Landwirte und Gutsbesitzer vor,
die - bis auf eine Ausnahme (S. 220) - keine „gelernten" Bauern waren. Die meisten kamen aus größeren
Städten und von weit her, nur eine Familie war am Bodensee heimisch, drei weitere lebten schon etwas
länger hier. Sie wollten neue Lebensformen erproben und aufgrund der wachsenden Bedrohung durch die
Nationalsozialisten in der Nähe der Schweiz sein. Gemeinsam war ihnen die Sehnsucht, in einer schönen
Landschaft den Nachteilen der Großstadt zu entfliehen. Zivilisationsmüde Großbürger und durch die
Nazis aus der Bahn geworfene Akademiker suchten einen neuen Anfang, Quereinsteiger waren von der
Lebens- und Sozialreformbewegung angeregt oder wollten mit landwirtschaftlichen Arbeitsweisen experimentieren
. Neben Versuchen mit biologisch-dynamischer Landwirtschaft und naturreinem Apfelsaft
(vgl. z. B. S. 41, 113, 178, 220 f.) standen politisch motivierte Ziele, in selbstverwalteten Gemeinschaften
zu leben (S. 137 ff).

Mit den christlichen Bauern in der Umgebung pflegten die jüdischen Landwirte gute Beziehungen.
Doch die nationalsozialistische Herrschaft machte alle Hoffnungen und Erwartungen zunichte. In einem
Fall konnte die katholische Frau eines verstorbenen Juden den Hof allein über die NS-Zeit hinaus durchbringen
. Ansonsten mussten die Landwirte, soweit sie noch lebten, ihre Besitzungen aufgeben und wurden
von den Nazis vertrieben. Immerhin gelang es allen, rechtzeitig zu emigrieren. Für einige erwies sich
dabei die Nähe zur Schweiz in der Tat als lebensrettend. Die Verfahren zur Restitution der Besitzungen
und zur „Wiedergutmachung" in der Nachkriegszeit verliefen teilweise skandalös und sind kein Ruhmesblatt
in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland.

Die Autoren haben die Lebensgeschichten von neun Einzelpersonen bzw. Familien detailliert erforscht
und eindrucksvoll geschildert. Interessant wäre es gewesen, noch mehr über ihre Beziehungen
zur eingesessenen jüdischen Bevölkerung in der Bodenseeregion zu erfahren. Insgesamt eröffnen sich
durch diese Schicksale Einblicke in eine bislang weitgehend unbekannte Welt jüdischen Lebens, die es
zu erinnern gilt und die weiter erforscht werden sollte. Dem wichtigen, gut geschriebenen und schön
ausgestatteten Buch sind viele Leserinnen und Leser zu wünschen. Heiko Haumann

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