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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2017/0177
Das Dorf im Ersten Weltkrieg. Beispiele aus Mittel und Südbaden, hg. von Juliane Geike und Heiko Haumann
(Lebenswelten im ländlichen Raum. Historische Erkundungen in Mittel und Südbaden 1), Verlag
Regionalkultur, Ubstadt-Weiher u.a. 2017, 136 S., zahlr. Abb.

Der Erste Weltkrieg hat 100 Jahre nach seinem Beginn eine Welle von Veröffentlichungen ausgelöst. Im
Gegensatz zu weit gespannten Großdarstellungen entstehen auch Bücher, in denen „kleinere" Räume
oder Orte in den Blick kommen, so auch „Das Dorf im Ersten Weltkrieg. Beispiele aus Mittel- und Südbaden
", herausgegeben von Juliane Geike und Heiko Haumann.

Etwas Besonderes an diesem Buch: Es handelt nicht nur vom Dorf, es ist das Ergebnis von historischer
Arbeit „im Dorf". Der erste Band in einer Reihe über die „Lebenswelten im ländlichen Raum",
im mittleren und südlichen Baden, geht zurück auf Vorträge in Elzach-Yach beim „1. Yacher Tag der
Regionalgeschichte" 2014 - ein „Tag" von und für historisch interessierte Bürger und Bürgerinnen. Er
hat seine Wurzeln in einem örtlichen Arbeitskreis, der sich seit längerem mit der lokalen und regionalen
Geschichte befasst. Heiko Haumann, der lange in Freiburg und Basel lehrte, hat ihn vorbereitet und moderiert
; er lebt in Yach.

Zu dieser Veröffentlichung haben, wie nicht anders zu erwarten, Historiker und Historikerinnen
beigetragen, die das historische „Feld" in ihrem Beruf bearbeiten. Auf ihm sind auch andere ohne diesen
professionellen Hintergrund aktiv; sie erstellten Beiträge zu Geschichte von Menschen aus ihrer Familie
oder ihrem Dorf.

Einen Schwerpunkt bilden Aufsätze über die Kriegszeit im Elztal. Wie überall zerbrachen auch in
Yach Familien und Beziehungen, wenn der Krieg den Tod eines geliebten Menschen brachte. In einem
Luftkampf über dem Elztal wurden zwei französische Flugzeuge abgeschossen; mit dem Sterben von Besatzungsmitgliedern
wurde auch in der Heimat eine Front direkt wahrnehmbar. In ihrer Weihnachtspost
deuten Elztäler Soldaten ihre Gefühle und Hoffnungen an. Für Buchholz (Waldkirch) sind einige wenige
Selbstzeugnisse überliefert, in denen Gefühle und Hoffnungen von Soldaten an der Front aufscheinen.
Auch im Elztal verschlimmerten sich rasch die Lebensverhältnisse unter der Wirkung des Krieges (Jürgen
Herr, Hansjörg Fräulin, Heiko Haumann, Hans-Jürgen Wehrle). Paul Gütermann aus Gutach berichtete
in den ersten Kriegsmonaten von der Westfront nach Hause. Seine Schwester Erna hatte einen
französischen Industriellensohn geheiratet; der Krieg stürzte sie in den Zwiespalt der Gefühle für ihre
Heimat und für ihren Mann. Für Georg und Emilie Hug aus Bleibach (Gutach) brachte die Trennung im
Krieg Sehnsucht und die Sorge umeinander; in ihren Briefen teilten sie sich ihre existentielle Not mit
(Alexandra Gütermann und Marianne Senger über Menschen aus der eigenen Familie).

Vier Beiträge weiten den Blick in die Region. Die Soldaten eines Offenburger Landsturm-Bataillons
versuchten in Fotos von einem ruhigen Alltag zu berichten. Zugleich ging es um „Botschaften", die den
Zusammenhalt mit der Heimat stärken sollten. Adolf Ludwig, Pfarrer in Dörfern bei Lahr, informierte in
„Heimatbriefen" die Soldaten über das Zuhause und mit dem Abdruck ihrer Briefe wiederum die Heimat
über die Front. Er geriet dabei zwischen die Forderungen nach Propaganda und wirklichkeitsnaher Information
. Nur selten gibt es Unterlagen wie für Orte bei Oberkirch, die Kontakte zwischen Frauen und
Kriegsgefangenen dokumentieren, darüber, wie es zu verbotenen sexuellen Beziehungen kam und wie
sie bestraft wurden. In Nordrach sollte die geringe Kriegsbegeisterung durch amtlich unterstützte Propaganda
behoben werden; gleichzeitig wurde der Mangel an Lebensmitteln immer spürbarer. Den Krieg
brachten verwundete und kranke Soldaten in die Heimat, als der Luftkurort zum Standort für Lazarette
wurde (Uwe Schellinger und Olaf Schütze, Thomas Mietzner, Rolf Oswald).

Alle Beiträge erhellen die zivilen Räume der Heimat in ihrem Zusammenhang mit den Fronten. Manche
referieren mit großer Anschaulichkeit den Alltag und die Erfahrungen, die der Krieg mit sich brachte;
in anderen kommen Analysen und methodische Reflexionen hinzu. Gemeinsam sind ihnen der mikrohistorische
Blick auf die „kleinen Leute" im Dorf und deren Gedanken, Gefühle, Wahrnehmungs-und
Verhaltensweisen. Es entstehen so eindringliche Bilder davon, wie sich Menschen aus und in ländlichen
Lebensbereichen, manchmal widerständig, mit den übermächtigen strukturellen Zwängen der Kriegszeit
auseinandersetzten. Das gelingt oft in einer individuellen, manchmal sehr persönlichen Zugangsweise
zum „Eigenen" in der Geschichte. Das Buch, das viele illustrative und analysierte Fotos auszeichnen,

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