http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2017/0199
mit der der Magistrat die Gemeinschaft wieder herzustellen versucht. Die schriftliche Kommunikation
bindet Basel zeitgleich zu den Bilderstürmereien in ein größeres System überregional vernetzter
Intellektueller ein. Sobald die beiden Formen der „Schrift-" und „Anwesenheitskommunikation" zusammenkommen
, wurde die Reformation in Basel Realität. Der Beitrag von Maike Christadler führt
die Vielschichtigkeit und die Wandlungsfähigkeit der Ikonographie in den Bildwerken von Urs Graf
als Zeitgenosse der Basler Reformation eindrucksvoll vor Augen. In einem weiteren Beitrag untersucht
Valentina Sebastiani die noch wenig erforschte Symbiose von Humanismus und Buchdruckern und
ihr Einfluss auf die reformatorischen Drucke unter marktwirtschaftlichen Gesichtspunkten. Ebenfalls
weg von der Kirchenkritik und den religiösen Aspekten führt die These von Susanna Burghartz, die
in der zweihundertjährigen Geschichte der Reformationsmandate in Basel den Trend von einer obrigkeitlichen
Sitten- und Moralpolitik zu einer polizeilichen Regulierung aus wirtschaftlichen Gründen
sieht. Rainer Henrich verfolgt die in kleinen Schritten minutiös nachvollziehbaren Fluchtetappen einer
Gregor-von-Narzianz-Handschrift, die vor der Basler Reformation „in Sicherheit gebracht" wurde und
schließlich über die Bibliotheca Palatina in die Vatikanische Bibliothek gelangte. Beat Rudolf Jenny
schildert die merkwürdige Episode des letzten Kartäusers Thomas Kress, der bis zum Jahr 1564 zwischen
Amerbach und dem reformierten Basel als altgläubiger Kartäuser ein bizarres Dasein lebte. Die
Beiträge von Dorothea Schwinn Schürmann über ein Bildwerk des Basler Münsters und Patrick Braun
über Burkhard Jurt als Pfarrer der katholischen Gemeinde Basels im 19. Jahrhundert sowie ein Nachruf
auf Brigitte Degler-Spengler von Petra Zimmer runden den kirchen- und reformationsgeschichtlich
geprägten Band der Fachzeitschrift ab.
Dieter Speck
Judith Rosen: Martin von Tours. Der barmherzige Heilige, Verlag Philipp von Zabern, Darmstadt 2016,
280 S., 14 S/W-Abb.
Zweifellos stellt Martin von Tours (316/17-397) eine der berühmtesten Heiligengestalten des Mittelalters
dar. Allein Frankreich zählt heutzutage 485 Stadtgemeinden und 3.667 Pfarreien die dem ehemaligen
„Palastgardisten" geweiht sind. Die im Jahre 2016 von der Historikerin Judith Rosen von der Friedrich
-Wilhelms-Universität Bonn vorgelegte Biographie bietet einen interessanten Gesamtblick auf das
Leben des Bischofs von Tours. Anlass zur Veröffentlichung einer neuen Darstellung bot das Todesjahr
des Heiligen, das sich 2017 zum 1620. Mal jährt.
In der Einführung (S. 7-9) betont die Autorin: „Martin von Tours war und ist eine Herausforderung:
historisch, literarisch und spirituell." Das Buch besteht aus acht Kapiteln. Mit literarischer Kunst erzählt
Rosen eingangs die bekannteste Episode aus dem Leben des Heiligen, die Mantelteilung bei Amiens im
Winter 334 (S. 11-17). Das zweite Kapitel fokussiert die Wirkung des Biographen Sulpicius Severus auf
die Verbreitung der Lebensbeschreibung Martins als Asket, Wunderträger und Missionar (S. 19-43). Es
folgt die Vita des künftigen Bischofs vor seiner Tätigkeit als Seelsorger und Hinwendung zur Askese (S.
45-81). Der entsprechende Zeitbogen reicht von der Geburt im ungarischen Szombathely 316/17 bis zur
Entlassung Martins aus dem Militärdienst 356 und seiner Begegnung mit dem „Mentor und Vorbild"
Hilarius von Poitiers. Das nächste Kapitel beschreibt die Tätigkeit Martins von Tours als Organisator
seiner Diözese mit dem Ziel, möglichst viele Gallier zum Christentum zu bekehren (S. 83-120). Als Pfarreien
, die Martin in seiner Diözese gründete, tauchen Ortsnamen wie Amboise, Candes, Claudiomagus
(Clion-sur-Indre), Carnotum (Chartres), Andethanna (Niederanven) und Leprosum (Levroux) auf. Der
fünfte Abschnitt wirft ein Licht auf die Bekämpfung der Häresien wie sie sich im „Priscillianistenstreit"
um 380 zeigten (S. 121-151). Im Anschluss daran wird Martins Einstellung gegenüber dem Teufel untersucht
(S. 153-184). Der letzten Phase des Lebens Martin von Tours ist auf Basis der sulpicianischen Vita
Martini und der Epistulae das siebte Kapitel gewidmet (S. 185-204). Den Abschluss bildet ein Blick auf
das ,Erbe' Martins und auf die Bedeutung seines ,Mythos4 (S. 205-234). Der Anhang (S. 237-280) bietet
nicht zuletzt eine Auflistung der Quellen und eine Zeittafel.
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