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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2018/0069
1683 hat man damit begonnen, den Friedhof, der ursprünglich als Kirchhof das Freiburger
Münster umgab, nördlich der Stadtgrenze anzusiedeln, auf halbem Wege zum früheren
Dorf Herdern, das heute ein längst eingemeindeter Stadtteil ist.2 In andächtiger Bewunderung
verharrt man vor vielen der damals modernen Grabmäler, deren barockes Pathos mitsamt den
nachdenklich stimmenden Sinnsprüchen nach wie vor berührt. In den Bann zieht nicht zuletzt
die künstlerische Qualität dieser oft bildhaft aufgefassten Werke, die aus Sorge vor zunehmender
Verwitterung nach und nach durch Kopien ersetzt werden. Das gilt übrigens auch für unser
Rinderle-Grabmal, obschon es jünger ist, aber bald auch schon 200 Jahre lang existiert.3 Mit
der Zeit war der Platz längs den Friedhofsmauern erschöpft. Da die meisten Grabmäler als
wertvolle Relikte der Barockzeit davor bewahrt blieben, durch neuere ersetzt zu werden, kam
man nicht umhin, auch die Freiflächen zur Bestattung freizugeben. Zu den zierlichen, meist
schmiedeeisernen Grabkreuzen aus der Übergangszeit des Rokoko, vereinzelten Obelisken und
gebrochenen Säulenstümpfen gesellten sich bald Monumente klassizistischer Ausprägung - einen
unverwechselbaren Kontrast beschwörend.

Das Rinderle-Grabmal ist zweifellos das originellste unter ihnen. Seine Monumentalität
liegt in der harmonischen Ausgewogenheit seiner Komposition begründet, in der Strenge
des Aufbaues und der Zuordnung seiner Elemente. Unversehens fällt sein profaner oder doch
heidnischer Charakter auf. Nirgends lässt sich ein christliches Symbol entdecken, nicht einmal
ein Kreuz ist vorhanden, was angesichts unserer Kenntnis zur Persönlichkeit Rinderies schon
recht merkwürdig anmutet. Katholischer Priester war er doch, und er zierte sich nicht, in der
Mönchskutte zu dozieren. Zurückhaltend ist auch der Verweis auf ihn. Bloß sein Hausname und
etwas kleiner darunter „Professor" ist in Großbuchstaben in eine der vier pilastergerahmten
Stirnflächen eingemeißelt, die sich somit als die Schauseite präsentiert. Ein im Relief erhaben
vortretender Schmetterling oberhalb des Namenszugs verleiht der berechneten Strenge einen
Hauch von Lebensnähe. Er ist das antike Symbol der wiederkehrenden menschlichen Seele. Der
Puppenhülle entschwunden, versetzen ihm Flügel eine überirdische Daseinsberechtigung. Auf
den Sockelstufen des Monuments sind Rinderies Lebensdaten verzeichnet, auf den Tag genau.
Zuunterst findet sich auch der oben zitierte Merksatz, der sich nur in gebückter Haltung oder im
Niederknien lesen lässt. Augenfälliger ist dagegen der obere Teil (Abb. 2). Er zeigt uns in ausdrucksstarker
Form einen von dorischen Säulen umgebenen Globus. Kreisförmig gefasste Sterne
in den überleitenden Giebelfeldern scheinen einen kosmischen Bezug herzustellen. In ihrer
metaphysischen Implikation verweisen sie als Elemente des unendlichen Weltalls sinnbildlich
auf eine höhere, jenseits unserer irdischen Welt gelegene Sphäre. An Kant zu denken, fiele in
diesem Zusammenhang nicht schwer. In seiner Bewunderung für den bestirnten Himmel über
uns, appellierte er an das moralische Gewissen in uns, und sprach so als aufgeklärter Grenzgänger
zwischen den Welten dem einfachen Christen aus dem Herzen. Sollte diese durchaus
einvernehmliche Betrachtungsweise zum Verzicht eines Kreuzes berechtigen? Dass es auch
anders möglich gewesen wäre, belegt das durch ein Kreuz erhöhte Malteserepitaph in der Pfarrkirche
zu Heitersheim (Abb. 3). Als Architekt dieser zur selben Zeit erbauten Kirche zeichnete
Christoph Arnold, von dem noch die Rede sein wird, verantwortlich. Es ist dies nur ein Beispiel

Genau genommen ist auf Ratschlag von Kaiser Maximilian aus Angst vor der Pestgefahr schon 1515
ein Friedhof in der Vorstadt „Neuburg" angelegt worden, der aber im Zuge der Stadtbefestigung unter
französischer Herrschaft verlorenging. Vgl. Julius Dorneich: Der Alte Friedhof in Freiburg im Breisgau,
Freiburg 1968, S. 5ff.

1986 wurde das Original in Sicherheit gebracht. Es befindet sich heute auf dem Friedhof in Staufen unter
dem Vordach der Kapelle. Vgl. Badische Zeitung vom 27. August 1986.

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