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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2018/0075
Im Bewusstsein der europäischen Geistesgeschichte tritt Kant als Repräsentant der Aufklärung
in Erscheinung. Zum Bonmot wurde sein Postulat des „sapere aude!" das zum eigenständigen
Denken ermutigt. In der Aufforderung, sich des eigenen Verstandes zu bedienen, spiegelt
sich das Selbstverständnis des rationalen Zeitalters. Sich aus der selbstverschuldeten Unmündigkeit
zu befreien, war - politisch gesehen - der ebenso aufgeklärte wie verheißungsvolle Leitgedanke
des sich emanzipierenden Bürgertums. Geboren 1724 im ostpreußischen Königsberg,
wo er zeitlebens als Professor für Philosophie wirkte, lebte Kant bis zu seinem Tod am 12. Februar
1804 in das neue Jahrhundert hinein. Während er sich als junger Mann ähnlich wie Rinderle
für die naturwissenschaftliche Weltsicht interessierte und sich mit Newton auseinandersetzte,
so in seinen „vorkritischen Schriften"14, suchte er in seinem Spätwerk das Denkbare an sich zu
ergründen. Im Prüfen erkenntnistheoretischer Denkstrukturen liegt die Zielsetzung der per se
mit seinem Namen verbundenen Transzendentalphilosophie begründet. Deshalb erhebt er auch
den Begriff der Kritik zum Leitthema seiner fundamentalen Veröffentlichungen, etwa zum Titel
seines eigentlichen Hauptwerks, der „Kritik der reinen Vernunft". Kants unentwegtes Fragen
nach der erkenntnistheoretischen Bedingung von gültigen apriorischen Urteilen impliziert im
Denken an sich ein geradezu unbegrenztes Selbstverständnis von Philosophie, das mitunter
dem Deutschen Idealismus um Fichte, Schelling und Hegel den Weg bahnte. Überlegungen zur
Ästhetik als noch neuer philosophischer Disziplin geht Kant in seiner „Kritik der Urteilskraft"
nach. Zugänglicher sind seine vielfältig dargelegten Gedanken zur Ethik. „Grundlegung einer
Metaphysik der Sitten" ist eine Denkschrift mit höchst programmatischem Titel, die auf Kerngedanken
einer „praktischen Vernunft" verweist. Ihr verdankt Kant um 1800 doch eine gewisse
Popularität, weshalb sein Name oft in einem Atemzug mit dem eines Friedrich Schiller genannt
wird. „Handle so, dass die Maxime deines Willens jederzeit zugleich als ein Prinzip einer allgemeinen
Gesetzgebung gelten könne",15 lautet der berühmt gewordene kategorische Imperativ,
der in der Quintessenz von praktischer Vernunft das hohe Ideal menschlicher Moral zur Grundlage
einer verbindlichen Ethik erhebt. Kants Ethos, das Leben auf der Grundlage moralischen
Pflichtbewusstseins zu bestreiten, kam mitunter der abendländisch christlichen Lebenshaltung
gleich, wobei freilich dem kategorischen Imperativ eine höhere Wertschätzung zugedacht war
als dem Gebot der Nächstenliebe.

Sehen wir uns die Zeichnung an! Unversehens überraschen die übereinstimmenden Vergleichsmomente
mit dem Rinderle-Grabmal. Ein Hinweis auf Kant fehlt. Überhaupt ist das
Blatt, das zu einer Skizzensammlung eines gewissen Heinrich Geier gehört, gänzlich unbe-
zeichnet. Da sich viele der in diesem sogenannten „Geierschen Skizzenbuch" wiedergegebenen
Zeichnungen auf Projekte Weinbrenners beziehen, zögert Lankheit nicht, ihm den Entwurf zuzuschreiben
. Ohne eine Kenntnis vom Freiburger Rinderle-Grabmal zu haben, gibt er ihn mit
der einem Kunsthistoriker eigenen Phantasie als ein Denkmal für Immanuel Kant aus und zieht
dessen Todesjahr 1804 als terminus post quem für die Entstehung des Entwurfs in Betracht.16

Vgl. die wiederholt aufgelegte, 1960 von Wilhelm Weischedel herausgegebene Kant-Ausgabe, Bd. 1-3,
Darmstadt 1983. In seiner Dissertation von 1770 erörtert Kant „die Form und die Prinzipien der sinnlichen
und intelligiblen Welt". Viele seiner Gedanken verweisen schon auf die „Kritik der reinen Vernunft"
von 1781. Zum anderen rekurriert Kant auf seine 1755 als Erstlingswerk behandelte „Allgemeine Naturgeschichte
und Theorie des Himmels oder Versuch von der Verfassung und dem mechanischen Ursprung
des ganzen Weltgebäudes, nach Newtonischen Grundsätzen".

Immanuel Kant: Kritik der praktischen Vernunft, hg. von Karl Vorländer (Philosophische Bibliothek
38), Hamburg 1929 (1974), S. 36, § 7.

Lankheit (wie Anm. 9), S. 46ff. In Gesprächen, zu denen es während meiner Mitarbeit am Institut für
Baugeschichte in Karlsruhe häufig Gelegenheit gab, hat Professor Lankheit seine These angesichts mei-

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