Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2018/0137
land kämpft eine Clique um ihren Bestand, aber außerdem wohl ein fast national-religiöser
Fanatismus — alle diese wollen unsere Vernichtung.1 Cohn setzt sich zur gleichen Zeit kritisch
mit dem „Handbuch der Friedensbewegung" des Pazifisten Alfred H. Fried auseinander, der die
schiedsgerichtliche Lösung von Konflikten forderte.

1915 stand die Nachfolge des bisherigen philosophischen Ordinarius Heinrich Rickert an
(Abb. 3), auf die sich Cohn Hoffnung machte. Rickert teilte ihm aber vertraulich mit, für Sie
(und Simmel) war nichts zu machen, stattdessen wurde Edmund Husserl berufen. Dieser, so die
Begründung, dürfe heute als einer der bedeutendsten lebenden Denker und als Haupt der größten
philosophischen Schule in Deutschland gelten} Hier übergangen worden zu sein, empfand
Cohn als schweren akademischen Misserfolg.9 Der Philosoph Hans Jonas schildert in einem
autobiographischen Interview, wie der sonst so beherrschte Cohn noch zwei Jahre später seine
Fassung zu verlieren drohte, als der damals 19-jährige Student auf seine Frage, was ihn nach
Freiburg bringe, undiplomatisch mit Husserl antwortete.10 Husserl empfahl Cohn 1921 für die
Neubesetzung eines Extraordinariats in Marburg: Haben Sie nicht an J. Cohn gedacht? [...] Als
akademischer Lehrer übt er bei seiner großen Lehrbegabung und seiner reichen Bildung eine
vorzügliche Wirkung}1 Aber diese Empfehlung blieb wie weitere folgenlos. Weder erhielt Cohn
je ein Ordinariat an der Freiburger Universität noch einen Ruf an eine andere Hochschule, weshalb
er annahm, sein Judesein sei für die akademische Karriere hinderlich. Edmund Husserl
war 1886 zum Christentum übergetreten; auch für den mit Cohn befreundeten Psychologen und
Philosophen William Stern, den „Erfinder" des Intelligenzquotienten, wäre für eine Berufung
nach Berlin der Ubertritt zum Christentum obligatorisch gewesen. Cohn selbst, der sich schon
in der Studienzeit von der jüdischen Religion abgekehrt hatte, ließ sich jedoch, im Gegensatz zu
seiner Ehefrau und Sohn Hans, nicht taufen.

Abb. 3

Heinrich Rickert, undatierte Aufnahme
(J. Cohn-Archiv, S. L. Steinheim
-Institut für deutsch-jüdische
Geschichte an der Universität Duisburg
-Essen).

Ebd., ibd. S. 345.

Hugo Ott: Philosophie und Psychologie, in: Die Freiburger Philosophische Fakultät 1920-1960. Mitglieder
- Strukturen - Vernetzungen, hg. von Eckhard Wirbelauer, München 2006, S. 440-467, hier S. 443.
Scholem/Adorno (wie Anm. 4), S. 483.
Hans Jonas: Erinnerungen, Frankfurt 2005, S. 42.

Margot Heitmann: Martin Heidegger et Jonas Cohn, in: Bulletin heideggerien 3 (2013), S. 5.

137


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2018/0137