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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2018/0140
Uber Jonas Cohn als Dozenten gibt Gerda Walther, eine Husserl-Schülerin19, eine farbige
Schilderung:

„In dem Freiburger Philosophen Jonas Cohn hatten wir [...] einen hervorragenden
Lehrer. Wegen seiner tolerant-konzilianten Art hat man ihn den ,Philosophen in Filzpantoffeln
' genannt. Doch lag darin nicht Herabsetzendes. Während Husserl, wenn er
überhaupt historische Vorlesungen hielt, bis ins Altertum zurück Ansätze zu seinen
eigenen Ansichten fand und zu finden glaubte, war Jonas Cohn bestrebt, sich einzig
um das Verständnis des Philosophen zu bemühen, den er jeweils behandelte. Er versuchte
, diesen von innen heraus, von seinen eigenen Problemen, seiner Persönlichkeit
her verständlich zu machen. Sein Seminar fand in seiner schönen Villa in Günterstal,
einem Vorort Freiburgs, statt, eine Stunde zu Fuß auf schönen Waldwegen oder auch
mit der Straßenbahn erreichbar. Wir blieben dann den ganzen Nachmittag bei ihm
draußen und wurden auch zum Tee, oft auch zum Abendessen eingeladen. Im Sommer
saßen wir im Garten - man konnte es sich nicht schöner wünschen."20

Die Gastfreundschaft der Cohns kam auch Günther Stern zugute. Er war der Sohn des mit
Jonas Cohn befreundeten Philosophen und Psychologen William Stern und zugleich Cousin
Walter Benjamins. Günther kam erstmals 1920 in die Cohn'sche Villa, um in Freiburg Philosophie
zu studieren und wurde hier „Pensionär"; in den folgenden Jahren war er immer wieder
Gast der Familie und hat vermutlich Vorlesungen Jonas Cohns besucht, wurde allerdings 1923
bei Edmund Husserl promoviert. Sechs Jahre später heiratete er Hannah Arendt und wurde nach
seiner Rückkehr aus dem Exil unter dem Namen Günther Anders zu einem der meistbeachteten
Kulturkritiker (Hauptwerk „Die Antiquiertheit des Menschen") in der Bundesrepublik der
Nachkriegszeit.

Im Jahr 1921 trat Jonas Cohn dem „Verband nationaldeutscher Juden" (VnJ) bei, der im
März von dem Berliner Rechtsanwalt und Notar Max Naumann gegründet worden war. Laut
seiner Satzung bezweckte der Verband den Zusammenschluss aller [...] Deutschen jüdischen
Stammes, die bei offenem Bekennen ihrer Abstammung [...] nicht anders als deutsch empfinden
und denken können. Er bekämpfe alle Äußerungen und Betätigungen undeutschen Geistes, die
den Wiederaufstieg Deutschlands zu einer geachteten Stellung in der Welt gefährden. Sieben
Jahre zuvor hatte Cohn in seiner Abhandlung „Der Sinn der gegenwärtigen Kultur" seine Theorie
formuliert, nicht die abstrakte Existenz eines irgenwie beschaffenen Volkstums sei wertvoll,
sondern erst die besondere Kultur, die ein Volk hervorbringt. Als Beispiel nannte Cohn das
alte Kulturvolk der Juden, dem mit dem Bedeutungsverlust der gemeinsamen Religion nur die
Verschmelzung mit den starken und hochentwickelten Kulturen geblieben sei, unter denen es
jeweils ansässig war.21 Den so beschriebenen Assimilationismus (nach Hannah Arendt das Verschwinden
der Juden in der nicht-jüdischen Gesellschaft)22 lehnten die Zionisten entschieden ab
(darunter Hannah Arendt, bis sie mit dem Zionismus brach)23. Die entschiedene Gegnerschaft

Ahnlich wie die Habilitation Edith Steins scheiterte Gerda Walthers Promotion an Edmund Husserl.
Gerda Walther: Zum anderen Ufer, Remagen 1960, S. 208.

Matthias Hambrock: Die Etablierung der Außenseiter, der Verband nationaldeutscher Juden 1921-1935,
Köln 2003, S. 47.

Eva Kreisky/Saskia Stachowitsch: Jüdische Staatsperspektiven: Kosmopolitismus, Assimilationismus
und Zionismus, in: Osterreichische Zeitschrift für Politikwissenschaft 39, Nr. 4 (2010), S. 435-449.
Delbert Barley: Hannah Arendt. Einführung in ihr Werk, Freiburg/München 1990, S. 13.

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