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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2018/0146
1932 veröffentlichte Cohn als eines seiner Hauptwerke die „Wertwissenschaft" und griff
damit das Thema seiner Habilitationsschrift erneut auf. Der Titel sei auch polemisch gemeint,
schrieb Cohn im Vorwort: „[...] ich kämpfe gegen alle, die im Gefolge Nietzsches eine Wissenschaft
vom Werte leugnen."40 Nach Anselm Model ist ein Wert für Cohn alles, was bewusst
gewünscht oder vorgezogen wird, während unwert ist, was bewusst zurückgewiesen wird. Werte
werden nicht vom Willen gesetzt.41 Nach Konrad Fees stellt die Wertwissenschaft ein Wert-
findungsprogramm dar. Cohn konstruiert ein komplexes formales Beziehungsgerüst der Werte
mit allen Arten von Ordnungen, Abstufungen, Rangfolgen sowie den möglichen Beziehungen
zu den Werten.42

Im Januar 1933 sind die Cohns bei ihrem alten Freund Albert Schweitzer in Günsbach zu
Besuch. Cohn notiert, was Schweitzer über sich selbst äußert: Er beurteile Wirtschaft und Politik
aus der Sicht der Kolonien. Und: Er wirke für die Primitiven bei voller Überzeugung, dass
diese nicht für sich selbst sorgen könnten, sich nicht selbst regieren könnten.43 Daher sei er auch
kein Gegner des Imperialismus, solange dieser sich nur friedlich verhalte.

Am 20. März lautet Cohns Tagebucheintrag:

Ich lese, um vom Tage Abstand zu gewinnen und mich dem Geschehen (national-Sozialist
. „Revolution") gegenüber freizuhalten, Rankes „Deutsche Geschichte im Zeitalter
der Revolution. [...] Die Abscheulichkeit dieser Judenhetze — abscheulich gerade
deswegen, weil es sich um keinen Ausbruch von Leidenschaft oder Volkswut, sondern
um kalt organisierte, berechnete Gemeinheit handelt.44

Nach der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler am 30. Januar (der „Machtergreifung") bot
Jonas Cohn im April an, seine Vorlesungen einzustellen. Heidegger, mittlerweile Rektor, forderte
ihn jedoch auf, weiterhin zu lesen. Im gleichen Monat wurde das „Gesetz zur Wiederherstellung
des Berufsbeamtentums" erlassen. Der damalige Dekan Wilibald Gurlitt45 teilte Cohn
bei einem persönlichen Besuch mit, er sei beurlaubt. Kurz danach wurde die Beurlaubung von
Universitätsangehörigen der jüdischen Rasse aber noch einmal (bis zur endgültigen Klärung der
Voraussetzungen zur Durchführung des Gesetzes [...]) ausgesetzt und Cohn nahm nach einem
Telefongespräch mit Heidegger seine Vorlesungen wieder auf.46 Am 25. August erhielt Cohn
dann die formlose Mitteilung seiner Pensionierung auf den 1. Dezember. Cohns Tagebucheintragung
vom September 1933 liest sich wie folgt:

40
41

Jonas Cohn: Wertwissenschaft, Stuttgart 1932, S. VI.

Anselm Model: „Ein anderes deutsches Antlitz". Zur Wertphilosophie und Ethik Jonas Cohn, in: Freiburger
Universitätsblätter 108 (1990), S. 121-131, hier S. 129.

Konrad Fees: Werte und Bildung. Wertorientierung im Pluralismus als Problem für Erziehung und Unterricht
, Opladen 2000, S. 187f.
Cohn (wie Anm. 34), S. 331.
44 Ebd.. S. 355f.

42

43

45

Der Musikwissenschaftler Wilibald Gurlitt wurde 1937 als „jüdisch versippt" amtsenthoben. Gurlitt ist
die (1944 zerstörte und 1954/55 neu erbaute) „Prätorius-Orgel" in der Aula der Universität zu verdanken.
46 UAF. B 3/71.

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