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Ich bin an aller äußeren Tätigkeit, auch an jeder Lehrtätigkeit gehindert, ehe meine
Kräfte mich verlassen. Das Geschick soll ich als Aufgabe nehmen. Dann also bedeutet
es: Du hast nun keine Ausrede. Tue, was Dir notwendig — bilde Deine Gedanken aus,
prüfe sie streng, suche sie so rein und klar wie möglich darzustellen. Versuche es, die
Darstellung der einen Wahrheit zu geben, die dieser Zeit und in ihr Dir möglich ist.
[...] Die Zeit drängt, aber auf eine Reihe arbeitskräftiger Jahre darf ich noch hoffen.41

Hans Gottschalk bezeichnete später Heideggers Verhalten gegenüber seinem Vater als „völlig
korrekt". Heidegger habe auch versucht, vermeidbare antisemitische Ausschreitungen der
Studenten zu verhindern und weder ihm noch seinem Vater die Benutzung der Universitätsbibliothek
verboten oder erschwert: „[...] ich traf ihn im Juni 1938 [...], er begrüßte mich sehr
freundlich und sagte für alle hörbar ,Es wird nicht immer so bleiben4".48 Gottschalks Bewertung
des Heidegger'schen Verhaltens wird gestützt durch Bernd Martin, wonach der Rektor zugunsten
der von der Zwangspensionierung bedrohten eigenen Kollegen nur tätig werden konnte,
„wenn dies dem Wunsch der jeweiligen Fakultät entsprach". Martin fügt jedoch hinzu: „nicht
überall sollte dieser Wunsch, jüdische Kollegen vor der Entlassung zu bewahren, gleich ausgeprägt
sein."49

Die Rede Hitlers vor dem Reichstag am 13. Juli 1934 zur Rechtfertigung der Niederschlagung
des „Röhm-Putschs" wirkte auf Cohn entlarvend: Schlechteste Rede, die ich je von ihm
gehört oder gelesen habe.[...] Scham, dass dieser Mensch heute für Deutschland reden und
handeln darf. Die Erfahrung des grässlichen Missbrauchs der Macht ist gemacht, wird sich
wiederholen.50

Im gleichen Jahr beendete Cohn das bislang freundschaftliche Verhältnis zu Heinrich Ri-
ckert, weil dieser das Unrecht der Nationalsozialisten mitmachte.51 1935 notierte Cohn, die Situation
sei fast unerträglich, viele einzelne Menschen, ja die gesamte soziale Atmosphäre Frei-
burgs erleichtern das Schwere — aber oft gewinnt es die Oberhand52

Im Jahr 1936 trafen sich die Ehepaare Cohn und Stepun ein letztes Mal in der Villa am
Weilersbacher Weg, anwesend war auch der Nachbar Friedrich Ernst Moritz Saemisch (Abb. 9).
Dieser war nach kometenhaftem Aufstieg 1920 Präsident des Landesfinanzamts Kassel geworden
, dann preußischer Finanzminister und schließlich Präsident des Reichsrechnungshofs, also
„Reichssparkommissar", der rigorose Verwaltungsreformen durchzusetzen hatte. Auch nach
1933 blieb er nach einer Unterredung mit Hitler in seinem Amt und behielt seine Position sogar
über die Altersgrenze hinaus bis 1938. Cohn hatte von Saemisch das Grundstück für seine Villa
erhalten (Abb. 10), aus Nachbarn wurden bald Freunde. Während des Ersten Weltkriegs hatte
Cohn von Saemisch vieles Erschreckende über den Kaiser und seine Umgebung erfahren.53
Cohn gibt in seinem Tagebuch das an diesem Augustabend geführte Gespräch wieder, in dem
es über einen eventuellen russischen Präventivkrieg ging:

47 Jonas Cohn: Tagebücher, In tenebris lux, S. 64.

48 Gottschalk (wie Anm. 33), S. 187.

49 Bernd Martin: Die Entlassung der jüdischen Lehrkräfte an der Freiburger Universität und die Bemühungen
um ihre Wiedereingliederung nach 1945, in: Freiburger Universitätsblätter 129 (1995), S. 7-46, hier S. 17.
Jonas Cohn: Tagebücher, „Ephemer ides", S. 205f.

51 Jonas Cohn: Varia II, S. 36.

52 Ebd., S. 28.

53 Ebd.. S. 130.

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