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Abb. 10 Die Lage der benachbarten
Villen von Friedrich Ernst
Moritz Saemisch und Jonas
Cohn in Günterstal (Archiv
Flamm).
Stepun berichtete, unter Russen und Franzosen herrsche der Glaube, dass von
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Deutschland, Polen, Osterreich und Japan ein konzentrischer Angriff auf Russland
vorbereitet werde, daher der Gedanke eines russischen Präventivkrieges. Saemisch
bestritt entschieden eine solche Absicht Deutschlands. Warum dann, so Stepun, kein
deutsch-russisches Abkommen? Saemisch: „Weil der Führer jede Zusammenarbeit
mit den Bolschewisten ablehnt. Dies und damit zusammenhängend der Antisemitismus
ist sein Credo, das er nicht angreifen, nicht einmal diskutieren lässf6.54
1937 beschloss das „Pentathlon", dass ein Weiterbestehen mit jüdischen Mitgliedern nicht
möglich sei. Spemann und Gurlitt erklärten nunmehr, einem Kreis, an dem Cohn nicht teilnehmen
könne, wollten auch sie nicht mehr angehören, daraufhin löste sich das „Pentathlon" auf.
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In einem Tagebucheintrag vom März 1938 notiert Jonas Cohn: Hitler gliedert Osterreich an.
Das für mich Traurigste dabei, dass ich über ein Ereignis traurig bin, über das ich mich unter
anderen Umständen so herzlich gefreut hätte.
1938 erhielt Hans Gottschalk eine Anstellung in Birmingham. Jonas und Elise Cohn beabsichtigten
zu diesem Zeitpunkt noch immer, in der Heimat zu bleiben. Einen Teil des Hauses
wollten sie möbliert vermieten. Am Tag der „(Reichs-)Kristallnacht" (9./10. November 1938)
wurde Cohn zweimal auf das Bezirksamt bestellt, ein drittes Mal blieb ihm wegen seines Alters
erspart. Als das Ehepaar sich daraufhin einige Tage lang im Pilgerheim auf dem Lindenberg
erholen wollte, mussten sie zurückkehren, weil die dortigen Schwestern keine „nicht-arischen"
Gäste mehr aufnehmen durften. Jetzt fiel ohne weiteres Zögern der Entschluss, der Einladung
Jonas Cohn: Tagebücher, Klarheit aus der Fülle, S. 256f.
Abb. 9 Friedrich Ernst Moritz Saemisch
(rechts), Aufnahme von 1930
(Bundesarchiv, 102-09016/CC-
BY-SA3.0).
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