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Dienstag, 28. Januar 1936
Das Wetter klärt sich etwas auf. Aber es gibt keinen Neuschnee, weil es zu warm ist, wenigstens
regnet es nicht. Mausi zieht mit dem Rodel wieder vergnügt zum Skihügel, sie wird viel mutiger.
Wir d.h. Lisel u. ich machten inzwischen einen kleinen Spaziergang in die „Höhe6 über „Brief-
trägerhäusl\o\" hinaus u. hatten oben für einige Augenblicke herrliche Sonne. Es ist frischer,
der Schnee im Walde u. oben recht verharrscht. Nachmittag waren wir in der anderen Konditorei
, die wesentlich besser ist u. wie Mausi sagte, in der es wie bei Telschow135 schmeckt. Danach
noch einen [T 08, S. 95] etwa 3/4 stündigen Spaziergang über die „kleine Kapelle"136 bei
schöner Dämmerung u. Abendbeleuchtung. Mit den Leuten vom „ Schunkelabend" breche ich
den Grußverkehr ab. Es hat keinen Zweck, da ein andrer Verkehr auch von mir nicht gewünscht
wird. Man muß aber sehr zurückhaltend u. vorsichtig sein. [...] Lisi u. ich waren dann bis 3/4 10
Uhr fast allein in der Halle u. lasen.
Mitwoch, 29. Januar 1936
Es regnet. Zunächst sachte, dann in Strömen. Wir spielten mit Mädi in ihrem Zimmer, während
Frl. Naumann einiges wusch. Dann ging ich in den Wintergarten u. schrieb bis 12 Uhr. Lisi
holte mich, da es ein wenig aufgehört hatte, zum Spaziergang u. wir gingen trockenen Hauptes,
aber naßen Fußes fast 1 Stunde den sonst sehr schönen Thoma-WegP1 Dann tröpfelte es wieder
los u. als wir zu Hause waren, regnete es weiter. Nachmittags Gang zur Post, zum Bahnhof nach
Zeitungen, einkaufen (Schnapsgläschen u. Kirsch) u. wieder nach Hause. [T 08, S. 96] Abends:
„Kostümfest im Adlerwirtshaus!" Ich blieb zunächst bei Mausi, wie am Sonntag, um 1000 kam
Frl. Naumann herauf u. ich ging hinunter. Wir hatten einen besseren u. freieren Platz, eine
Dame aus Hamburg, die auch ihren Sohn in ein Kinderheim nach Königsfeld gebracht hatte,
hatte sich zu uns gesetzt. Es war sehr lustig u. ausgelassen, aber sehr anständig u. wieder eine
recht nette Gesellschaft. Die „Schunkelleute' waren diesmal viel ruhiger. Lisi u. ich waren
wieder nur Zuschauer u. machten nichts mit. Mir ist das zu gefährlich, obwohl man es ruhig
riskieren könnte. Um 3/4 12 Uhr gingen wir nach oben, so ziemlich die ersten, die letzten hörten
wir lange danach mit großem Getöse ins Hotel kommen.
Donnerstag, 30. Januar 1936
Tag der Nationalen Erhebung. Eine richtige Hakenkreuzfahne reicht bis zu unserem Fenster
herunter. Das Wetter ist frischer, ohne daß es friert. Wir gingen mit Mädi den gleichen Weg über
„Briefträgerhäusle( u. hatten oben wieder herrliche Sonne. Die Luft ist herber u. erholender.
Die „Conditorei C. Telschow" war in ganz Berlin für ihre Kuchen berühmt; Hans-Karl Foerder: „... auch
die Fürstin Bismarck war Kunde". Aus der Geschichte des Familienbetriebes Telschow, in: Berlinische
Monatsschrift 1998/8, S. 73-80, hier S. 75. Ihre Filiale am Bahnhof Zoo, Joachimsthaler Str. 1, lag in
unmittelbarer Nähe von Zwillenbergs Privatbüro in der Joachimsthaler Str. 6. Wie zuvor erläutert, kann
es sich bei der anderen Konditorei nur um das „Cafe Imbery" gehandelt haben.
Mit der kleinen Kapelle könnte jene vom „Jockeleshof" gemeint sein, die von Wanderern oft besucht
wird; Liehl (wie Anm. 7), S. 117. Leider befindet sie sich heute in einem lamentablen Zustand und soll
einsturzgefährdet sein; Gespräch mit Katja Newman vom 01.05.2018.
Gemeint ist der 1913 fertiggestellte Emil-Thoma-Weg, der nach dem ehemaligen Präsidenten des
Schwarzwaldvereins und Oberbürgermeister von Freiburg benannt ist und in etwa vier Stunden Gehzeit
vom Feldberg nach Hinterzarten führt; Helmut Dumler: Die schönsten Höhenwanderungen im Schwarzwald
, München 21987, S. 121f.; Liehl (wie Anm. 93), S. 152; Hans-Peter Widmann: Thoma, Emil Adam,
in: Badische Biographien NF 6, hg. im Auftrag der Kommission für geschichtliche Landeskunde in Baden
-Württemberg von Fred L. Sepaintner, Stuttgart 2011, S. 398-400.
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