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Wir waren fast 2 1/2 Stunden unterwegs und Mädi hat eine Menge geleistet. Das spätere Mittagessen
war durch die schöne Sonne u. den reichlichen Hartschnee wohl aufgewogen. Mittags
sitze ich wieder in der Halle u. schreibe. Mit Ausnahme einiger Fahnen merkt man vorläufig
von dem Feiertag noch nichts. Im Hotel überhaupt nichts. Während ich schreibe, höre ich, daß
die „Schunkelleute", die mit ihrem lauten Gehabe das Hotel beherrschten, teilweise abreisen,
wenigstens [T 08, S. 97] die große Familie. Ein kleiner Rest bleibt noch zurück, eine Frau Cur-
tius, die einen neuen Kreis um sich sammelt. Nachmittag der übliche Bummel zur Post, Bahn,
Einkauf. Abends Halle. Ich hatte zu Ehren des Tages meine Ordens schleife angelegt. In der
Übertragung der Feier aus Berlin, nahmen der größte Teil der Gäste, obwohl im Vestibül die
Zeit u. der Ort bekanntgegeben wurde, nicht teil. Man saß lesend oder plaudernd in der Halle u.
hörte von fern das Geräusch einer Rede. Um 1/2 10 Uhr gingen wir nach oben.
Freitag, 31. Januar 1936
Es regnet heute in Strömen. Die Hoffnung von gestern ist buchstäblich zu Wasser geworden. [...]
Wir frühstückten mit Mausi u. waren nicht sehr konzentriert. [...] Um 1/2 12 Uhr wagen wir uns
trotz des Regens heraus u. erwischen einen wunderschönen Waldweg, der in die Höhe führt, u.
da es um die Mittagszeit mit Regen etwas nachließ, konnten wir doch eine ganze Stunde Luft
holen u. Fahrenkräuter, Moos u. kleine grüne Büschelchen pflücken. Der Schnee zerfließt u.
es sieht stark nach Frühling aus. Nachmittag goß es wie mit Kannen weiter. [T 08, S. 98] Ich
schrieb™ Mittags in der Halle u. dann gingen wir nach der Konditorei u. nach Hause. Zum
Bummel war das Wetter zu schlecht. Abends saßen wir bis 10 Uhr in der Halle. Seitdem die
Schunkellaute u. die Schunkelleute nicht da [sind], ist eine himmlische Ruhe. Ich habe hier den
2. Bekannten gesehen, ohne daß ich mich zu erkennen gab: Am Tage meiner Ankunft Schmitz
von Karstadt (Schwiegersohn von Althoff) u. gestern Winkler, Haibau, ein Fabrikant mit dem
wir groß arbeiteten u. der bis 1932-33 ein Freund der Firma war. Danach habe ich ihn nicht
mehr gesehen. Zum letzten Male noch bei Loewenberger139 im Büro, mit dem er sehr befreundet
schien.
Sonnabend, 1.2., 1. Februar 1936
Es gießt nicht mehr, sondern es wütet, was vom Himmel kommen kann. Wir trödeln wieder bis
Mittag mit Lesen, Englisch lernen u. Schreiben, [...] Gegen Mittag gingen wir im strömenden Re-
gen fort, war ca 1/2 Stunde draußen, kam naß, aber immerhin mit Luft vollgesogen nach Hause.
Die Luft ist hier wirklich etwas Köstliches. Aber es ist eben keine Winterluft u. auch die letzten
Reste des Schneens sind seit gestern fort. Man sieht noch ganz vereinzelt weiße Tupfen, das ist
alles. So goß es den ganzen Tag. [T 08, S. 99] Nachmittag erledigte ich meine Korrespondenz u.
dann waren wir bis zum Abendbrot auf dem Zimmer, weil unten Tanztee war u. die Halle voller
Leute, die kräftig rauchten. Es ist heute nicht so schlimm wie der Auftakt vom vorigen Sonntag,
weil das Wetter so schlecht ist. Trotzdem sind eine Menge Weekendler, aber auch neue Gäste
angekommen. Es schlägt eben 9 Uhr. Ich sitze in Frl. Naumanns Zimmer wie neulich u. halte bei
Mädi Wacht. Lisi u. Frl. N. sind zum „Gesindeball" unten. Ich gehe dann auch noch herunter,
wenn Frl. Naumann mich ablösen kommt. Mädi versteht sich sehr gut mit ihr. Das Kind ist nicht
wieder zu erkennen, ruhig, artig, weint nicht mehr so viel u. ist zufrieden, auch der herausfordernde
Ton, den sie immer hatte, ist verschwunden. Es war wirklich die höchste Zeit. Aber sie
Mit der Bemerkung ich schrieb meinte Zwillenberg in aller Regel, dass er in sein Tagebuch schrieb.
David Loewenberger, leitender Mitarbeiter der Firma Hermann Tietz.
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