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denkt trotz ihrer Zuneigung zu Frl. N an Hetig140 u. spricht oft mit großer Liebe, aber auch mit
einer Selbstverständlichkeit von ihr, die man bei Erwachsenen findet. Hetig kommt immer vor
Frl. Naumann, aber Frl. Naumann hat sie sehr gern. — Um 1000 kam Frl. Naumann mich ablösen
. Unten war ein richtiger Gesindeball. Diesmal nicht so nett, wie die beiden ersten Abende,
die Stimmung stand sehr unter Alkohol u. um 11 Uhr war ein solches Gegröle, daß wir genug
hatten und verschwanden. Es muß dann noch toller geworden sein, denn das Gebrülle hörten
wir über die Straße bis zu uns u. am andern morgen waren unsere Stiefel nicht da u. mußten erst
gesucht werden. Meine waren auf dem Treppenabsatz nach oben gestanden.
[T 08, S. 100] Sonntag, 2. Februar 1936
Wir machten heute einen Ausflug nach Freiburg mit dem Zug ^8 u. 644 wieder von Freiburg
zurück. Heute ist Sammlung für die Winterhilfe u. ich kaufte mir u. Frl. Naumann eine Ansteckplakette
gleich noch am morgen, sonst wäre man dauernd in Freiburg angehalten worden. Das
merkte ich, solange ich die Plakette in der Tasche hatte u. nur vorzeigte. Schließlich machte ich
sie mir an u. dann erst hatte ich Ruhe. Wir besichtigten die Stadt, waren im Münster, gerade zum
Gottesdienst, aßen dann im Zähringer Hof zu Mittag, wo auch Mausi sich nach Tisch hinlegen
konnte, gingen dann zur Universität, danach Mausi u. Frl. Naumann in die Konditorei u. Lisi u.
ich ins Casino-Kino, wo wir „Die Glocke ruft" u. „Traumulus ', diesen Film aber nicht zu Ende
sahen, weil wir zurückfahren mußten u. wo ich meinen Schal einbüßte. Wir fanden Hinterzarten
tief verschneit vor, während es in Freiburg, als wir losfuhren, regnete. Am Vormittag hatte ich
eine große Freude: Ich traf auf der Kaiserstrasse Geh. Rat Schwörer aus Badenweiler mit Frau
u. Enkelsohn. Die Freude war beiderseitig sehr groß, er fragte nach meinem Furunkel u. dann
faßten wir beide „Holz" an: an meinem Schirm. - Mittags sahen wir einen kleinen Studentenbummel
, Studenten in Lilamützen u. gelben Kappen. Mausi meinte, als sie die Kappen sah, ich
hätte doch auch so eine getragen, aber in „Weiss". Ich sagte, das [T 08, S. 101] sei wohl nicht
richtig, aber Mausi meinte: „Doch, Vater, damals Ostern in Dt. Eylaul "Ich mußte ordentlich in
mich hineinlachen, sie meinte mein weißes Käppchen am Sederabend. Ebenso sagte sie neulich,
als sie bei Portier am Bücherstand einen Umschlag mit einem Mohrenkopf bemerkte: „Sieh mal
Vater ein Mohr, gerade wie bei der Aufführung von Lutz an Hannuka!" — „Zu Hause" war kein
elektr. Licht in den Zimmern, weil eine Störung auf der Station vorlag u. wir blieben bei Kerzenlicht
oben u. gingen sehr bald schlafen.
Montag, 3. Februar 1936
Heute früh war alles tief verschneit. Es scheint auch kälter geworden zu sein u. eine kleine Karawane
von Hotelgästen fuhr mit dem Autobus nach dem Feldberg. Der junge Risterer sprach
mich, wegen Mausi u. Frl. Naumanns Zimmer an, die eigentlich Doppelzimmer seien u. die er
jetzt dringend benötige, weil zuviel neue Gäste angekommen seien u. er die kurze Saison ausnutzen
müsse. Wir waren uns sehr bald einig u. Mausi hat ein Zimmer mit danebenliegenem
Badezimmer u. Frl. Naumann ein kleines Zimmer neben Mausi im II. Stock. Die Form war tadellos
u. er versicherte immer wieder, er möchte mich nur zufriedenstellen u. seine Mutter habe
ihm ausdrücklich angesagt, mich nur ja zufrieden zu stellen. — Wir waren am Vormittag 2 1/2
Stunden im tiefverschneiten Höhenwald [Abb. 7] oberhalb des „Briefträger Häusel"gewandert
(1100 m) u. es war [T 08, S. 102] herrlich. Es fing oben an mächtig zu schneien u. wir zogen mit
dicken Schneeflocken überkrustet Mittags heim. Mausi schläft schon Mittags im neuen Zimmer,
Hetig, die eigentlich Hedwig hieß, war der Spitzname für die langjährige Vorgängerin von Frl. Naumann
als Kinder Schwester bei Zwillenbergs, die zwar von den Kindern innig geliebt wurde, mit der aber die
Eltern je länger je mehr ihre Schwierigkeiten hatten.
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