http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2018/0219
Versuch des dortigen Rats, eine neue außerordentliche Steuer einzuführen, um die Teilnahme der Stadt
an einem Landfriedensbündnis zu finanzieren. Für die städtische Regierung ging es darum, einen Weg
zwischen autoritärer Machtausübung und konsensgestützter Ratsherrschaft zu finden - kein Einzelfall,
wie die zum Vergleich herangezogene Freiburger Enquete von 1476 zeigt.
War bis dahin der Oberrhein das Beobachtungsfeld, so führen die folgenden Beiträge in andere Regionen
: Julien Briand untersucht die Frage „Comment obtenir le consentement des gouvernes? Le cas
des villes champenoises ä la fin du Moyen Age" und findet die Antwort in der Öffentlichkeit der Gemeindeversammlung
und in gemeinschaftsstiftenden Ritualen. In ähnliche Richtung argumentiert Mathieu
Caesar in seinem Beitrag „Populär Assemblies, Document Usage and the Writing of History in Geneva
(1450-1550)" am Beispiel des Conseil General von Genf. Antje Diener-Staeckling nimmt den inhaltlichen
Faden von Olivier Richard auf, indem sie in „Verbriefte Teilhabe der Bürger - Schwörbriefe als Verfassungsdokumente
in der mittelalterlichen Stadt im Norden und Osten des Reiches" (so der vollständige
Titel, allerdings nur im Inhaltsverzeichnis!) an den Beispielen Straßburg, Naumburg, Nordhausen und
Köln die Rolle dieser Schriftstücke - neben Schwörbrief auch Bischofsbrief, Wahlbrief oder Verbundbrief
genannt - für die Vorstellung einer gesicherten Beteiligung der gesamten Bürgerschaft an der Stadtregierung
herausarbeitet.
Dominique Adrian lenkt mit seinem Beitrag „Les metiers comme lieux de participation politique
dans les villes d'Empire souabes (XlVe-XVe siecle)" den Blick wieder zurück auf den deutschen Südwesten
. Er charakterisiert am Beispiel schwäbischer Reichsstädte die Zünfte als Ort politischer Partizipation
und ihre Generalversammlungen als Höhepunkte des Gemeinschaftslebens. Ein Sonderphänomen
der zünftigen Struktur elsässischer Städte im späten Mittelalter untersucht Kristin Zech in ihrem Aufsatz
„Zunftauflösungen als Spiegel politischer Partizipationschancen und -grenzen sozialer Gruppen in
der Stadt: Straßburg, Colmar, Schlettstadt". Sie verbindet ihre Analyse mit der Uberprüfung der These
„Ohne Zunft keine politische Partizipation. Ohne politische Partizipation keine Zunft". Es geht um die
interessante Frage, unter welchen Bedingungen Zünfte sich auflösen mussten, zum Vorteil der verbleibenden
, auch um die Probleme der Integration eines nicht mehr mit eigener Zunft vertretenen Handwerks
in eine andere Zunft. Weiter widmet sich Jean-Dominique Delle Luche in seinem Beitrag „Entre asso-
ciation d'interet public et Service civique: arbaletriers et arquebusiers dans les villes du Saint-Empire
(XVe-XVIe siecles)" der Funktion der Armbrust- und Büchsenschützen in den Städten des Heiligen
Römischen Reiches an der Wende vom Mittelalter zur Neuzeit. Er sieht in der Schützengesellschaft ein
Abbild der Bürgerschaft im Kleinen, ihre Funktion bestand weniger in der örtlichen Verteidigung als in
der Repräsentation einer Stadt bei den auswärtigen Schützentreffen als Ausdruck zwischenstädtischer
Netzwerkbildung.
Zum Schluss rundet Pierre Monnet das Ganze mit seinen gedankenreichen „Remarques conclu-
sives" ab. Er rollt das Feld von der Geschichte des Begriffs ,participatio' und seinem Sitz im mittelalterlichen
Leben, dem religiösen wie politischen, her auf und gruppiert die Beiträge nach ihrer unterschiedlichen
Fokussierung auf die Existenz und Praxis von actions de negociation, von discussion, von
association, von rapports de force und von echange politique, macht eigene wichtige Bemerkungen,
spricht auch Desiderate an, etwa die Frage nach dem städtischen Reformdiskurs am Ende des Mittelalters.
Es ist in der Tat die Vielfalt der Perspektiven, die diesen Band über politische Partizipation in spätmittelalterlichen
Städten am Oberrhein so ergebnisreich und interessant machen. Der gerade noch einmal
zitierte Gesamttitel hätte allerdings die Ergänzung ,im überregionalen Kontext' o. ä. verdient, womit die
räumliche Blickweite zur Geltung käme. Formal sei noch der Schönheitsfehler angemerkt, dass es bei den
in den Fußnoten der Beiträge zitierten Kurztiteln keinen Rückverweis auf die Erstnennung des Volltitels
gibt, sodass die Suche danach für den Leser mitunter etwas mühsam ist. Aber das ändert nichts an dem
vorzüglichen Gesamteindruck, den dieser Band hinterlässt. Thomas Zotz
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