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Für Schwenningen ist dieses Kapitel kürzer und trägt den Titel: „Rechtzeitig emigriert". Es enthält
sogar etwas Versöhnliches: Das Bild und die Geschichte einer Vikarin der Bekennenden Kirche, die
Fluchthilfe Richtung Schweiz geleistet hat. Die Verfolgung der Sinti und Roma behandelt Neisen mit dem
Blick auf die lange Vorgeschichte. Ausführlich stellt er die Ergebnisse seiner Nachforschungen zur vierten
Opfergruppe vor: Menschen, die aus rassebiologischen Gründen verfolgt wurden, sogenannte „Asoziale
", Behinderte psychisch Kranke. Er nennt z. B. Fälle von Zwangssterilisierung. Im dritten Abschnitt
über die Kriegsjahre betont er die Bedeutung beider Städte für die Rüstungsindustrie, deren wachsender
Arbeitskräftebedarf mit Kriegsgefangenen und Fremdarbeitern gedeckt wurde, die anfangs freiwillig
kamen, mit zunehmender Dauer des Krieges jedoch zwangsweise, vor allem aus dem Osten. Der Beitrag
endet mit dem Einmarsch französischer Einheiten in Villingen und Schwenningen im April 1945.
Hier knüpft Anja Rudolf an mit der Frage „Besetzer oder Befreier?". Für die ersten beiden Monate
der Besatzungszeit verwendet sie zwölf Seiten. Der meist genannte Name ist Hermann Riedel (1898-
1982), der maßgebliche Verwaltungsmann im Villinger Rathaus während des Dritten Reichs und - obwohl
Parteimitglied - Gewährsmann der Franzosen in der ersten Zeit. Seine Erinnerungen „Aus schwerer
Zeit" sind eine wichtige Quelle in Wort und Bild für die Vorgänge am Kriegsende. Die Autorin hat sich
vorgenommen, lebensnah zu schreiben. Sie behandelt das Wiederaufblühen der ortsansässigen Industrie
nach empfindlichen Demontagen, den Zuzug und die Integration von Flüchtlingen und Vertriebenen,
das Wachstum beider Städte, vermittelt den Zeitgeist und behält dabei Bildung, Kunst, Kultur und Un-
terhaltung im Blick. Ein dramatisches Kapitel kommt unter der neutralen Uberschrift „Strukturwandel
der Wirtschaft" daher. In Wort und Bild hält Annemarie Conrath-Mach den Arbeitskampf 1963 fest,
sie berichtet von den ersten Warnungen vor der Konkurrenz aus Fernost für die Uhren- und Unterhaltungsindustrie
, dann vom dramatischen Ende der traditionsreichen Unternehmen: in Schwenningen 1974
Konkurs von Kaiser-Uhren, ein Jahr später Mauthe. In Villingen geriet bald auch Saba in Schwierigkeiten
, Kienzle Apparate wurde 1981 von Mannesmann übernommen. Eine Kienzle-Parkuhr ist das Titelbild
dieses Beitrags, an dessen Ende Villingen-Schwenningen als modernes Dienstleistungszentrum
beschrieben wird.
Band II der Stadtgeschichte entstand in vergleichsweise kurzer Zeit dank engagierter Autoren. Es
ist ein Buch, das in Ruhe gelesen werden will, stets mit Blick auf die jeweils am Schluss der Beiträge
gesammelten reichhaltigen Anmerkungen. Der schnelle Zugriff auf Detailfragen ist nicht leicht, da es
keine Register gibt. Sucht man zum Beispiel nach dem Architekten der Schwenninger Friedensschule
- Titelbild des Beitrags über die NS-Zeit - findet man ihn bei Anja Rudolf. Um auf die Besatzungszeit
zurückzukommen: die Unterlagen in den Archives de l'occupation francaise en Allemagne et Autriche
(1945-1955) in Courneuve könnten das Bild abrunden. Renate Liessem-Breinlinger
Andreas Haasis-Berner: Das Kloster St. Margarethen in Waldkirch. 500 Jahre klösterliches Leben im
Elztal, hg. von der Stadt Waldkirch (Waldkircher Stadtgeschichte 2), Selbstverlag, Waldkirch 2017, 432
S., zahlr. Färb- und S/W-Abb., Karten sowie genealogische Tafeln.
Im Vorfeld des 2018 zu feiernden Jubiläums erschien schon 2017 der Band über das Kloster St. Margarethen
des Archäologen Andreas Haasis-Berner. Nach einer Beschreibung der naturräumlichen Gegebenheiten
anhand einer Wildbannurkunde wird auf die politische Situation des Herzogtums Schwaben
und des Königtums im 10. Jahrhundert eingegangen. Es folgt die Gründung, Ausstattung und Privilegierung
des Klosters sowie die Darstellung einiger Äbtissinnen und Nonnen. Die wenigen archäologischen
Befunde des physisch nicht mehr existierenden Klosters mit den beiden Kirchen St. Margarethen und St.
Walburga sowie den Friedhöfen und der nicht nachweisbaren Klausur des mittelalterlichen (heute nicht
mehr sichtbaren) Klosters folgen. Mit einem Drittel des Bandes nimmt die Beschreibung des Güterbesitzes
und der wirtschaftlichen Belange den umfangreichsten Teil der Darstellung ein, was nicht wundern
dürfte, da doch der Band sich im Wesentlichen auf ältere heimatkundliche Arbeiten stützt und sich beson-
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