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Wolf-Ingo Seidelmann: „Eisen schaffen für das kämpfende Heer!". Die Doggererz AG - ein Beitrag der
Otto-Wolff-Gruppe und der saarländischen Stahlindustrie zur nationalsozialistischen Autarkie- und Rüstungspolitik
auf der badischen Baar, UVK Verlagsgesellschaft, Konstanz/München 2016, 478 S., zahlr.
Färb- u. S/W-Abb., Pläne und Tabellen.
Die Eisenerze auf der Baar, die Geschichte ihrer Nutzung, der Hoffnungen und Begierden, die sie immer
wieder weckten, kennt niemand besser als Ingo Seidelmann. Im vorliegenden fast 500 Seiten starken
Band geht es um die Geschichte des Doggererz-Projekts bei Blumberg im Rahmen der nationalsozialistischen
Autarkie- und Rüstungspolitik. Im staatlichen Vierjahresplan von 1936 standen Mittel bereit
für die Erschließung von Eisenerzgruben und die Errichtung von Aufbereitungsanlagen. 1939 wurde
die Doggererz-Bergbau AG (später Doggererz AG) gegründet. Gesellschafter waren das Deutsche Reich
und die saarländischen Stahlwerke Neunkircher Eisenwerk, Röchling-Konzern, Burbacher, Dillinger und
Halberger Hütte. Erst 1983 wurde die Firma aus dem Handelsregister gelöscht.
Der Aufbau des Werks begann aber schon vor der Gründung der Gesellschaft. „Überstürzter Be-
triebsaufbau ohne soziale Verantwortung" - diese Uberschrift fasst zusammen, was sich 1934 bis 1936
in Blumberg unter Leitung des Saarländers Dr. Wilhelm Peter Lillig (1900-1945) in Blumberg ereignet
hat. Der junge Bergingenieur führte die Geschäfte zunächst unter dem Dach der 1934 durch die Saarwerke
Neunkirchen und Völklingen gründeten „Interessengemeinschaft für Doggererz-Studium", einem
eher losen Zusammenschluss, der nach Rücksprache mit dem Vertreter des Reiches bzw. der NSDAP
(Wilhelm Keppler, 1882 in Heidelberg geboren, Görings Berater für die Durchführung des Vierjahresplans
) in die „Arbeitsgemeinschaft Neunkirchen-Völklingen für Doggererze" umgewandelt wurde. Die
Gemarkung Blumberg wurde zu einer riesigen Baustelle, aus dem Dorf mit rund 700 Einwohnern sollte
eine Industriestadt werden. Im Stoberg wurde ein Stollen vorgetrieben, bald auch im gegenüberliegenden
Eichberg und wenig später setzte an den umgebenden Hängen Tagebau ein. Beide Abbauzonen wurden
durch eine Erzförderbrücke verbunden, die das Tal mit der Reichsstraße 27 überspannte. Über ein fast 2
km langes Gleis gelangte das Erz per Kettenantrieb zu den Aufbereitungsanlagen und zum Verladebahnhof
bei Zollhaus. Ein Kohlekraftwerk, Maschinenhallen, Verwaltungsbauten waren erforderlich. Fachpersonal
kam von den Saarwerken und von der Ruhr, Arbeiter aus dem Umland wurden angelernt. Sie
wohnten zunächst unter primitiven Verhältnissen in Baracken oder Privatunterkünften. Arbeitermangel
war ein Dauerproblem, auch unter Lilligs Nachfolgern. Viele Kräfte waren durch die Großbaustelle in
Donaueschingen gebunden, wo die Garnison durch neue Kasernen erweitert wurde.
Zum Doggererz-Projekt war im Vierjahresplan auch der Bau einer Bergmannssiedlung vorgesehen
. Die Umsetzung zog sich aber hin. Die Saarwerke wollten die Finanzierung dem Staat überlassen
und sich auch nicht durch Kredite binden. 1937 bewegte sich etwas, nachdem die Stadt Blumberg vom
Reichsarbeitsministerium ein Darlehen für die Erschließungsmaßnahmen erhalten hatte. Ein Detail, das
Freiburger interessieren dürfte: Die Gemeinde Blumberg übertrug die Bearbeitung der Pläne, die Ausschreibung
und die Bauleitung dem Freiburger Architekten Albert Lehr, dem Vater des gleichnamigen
Sohnes, der nach dem Krieg als Befürworter des Südweststaats hervorgetreten ist. Gut möglich, dass er
den Vater damals schon unterstützt hat. Seidelmann resümiert auf Seite 115: „Trotz chaotischer Zustände
und Abläufe [...] wurden bis zum Beginn des Zweiten Weltkriegs 650 der insgesamt 948 Volkswohnungen
in Blumberg bezogen und 6 km Straße, 8 km Wasserleitung sowie 7 km Abwasserkanäle fertiggestellt.
Angesichts der enormen Probleme im Finanzierungs-, Material- und Arbeitskräftebereich war der Arbeiterwohnungsbau
auf der Baar also ein durchaus erfolgreiches Projekt." Der „Ausbau zur Mustersiedlung"
mit einem repräsentativen städtischen Zentrum neben dem dörflichen Ortskern und großen Sport- und
Aufmarschplätzen wurde nicht realisiert. Der Plan dafür, den der Freiburger Architekt Alfred Wolf 1938
geliefert hatte, ist abgebildet.
Das Interesse der Saarhütten am Erz von der Baar war in erster Linie das Ergebnis des Verlustes
der wertvollen lothringischen Erze nach dem Ersten Weltkrieg. Das Interesse intensivierte sich durch
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