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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2019/0045
einer Schanddenkschrift. Lautstark wurde ein Einschreiten des erzbischöflichen Stuhls ebenso
wie der staatlichen Autoritäten gefordert.

Der Konflikt eskalierte. Jetzt wollte das Ordinariat von der Universität wissen, ob die strittigen
Äußerungen im Namen der Fakultät oder als rein persönliche Ansicht des Verfassers erfolgt
seien. Letzteres gelte, lautete die Antwort. Nunmehr wandte sich der Erzbischof in einem
ausführlichen Brief an Großherzog Leopold mit der Bitte, gegen Reichlin einzuschreiten. In der
Antwort tat der Fürst sein Missfallen kund: Er habe Reichlin in die Schranken seines Amtes verweisen
lassen.16 Unterdessen brachte der Professor weitere Veröffentlichungen heraus, vor allem
die zweite Abteilung des ersten Bandes der von ihm verfassten „Geschichte des Christentums".
Im Zuge dieser historischen Darstellungen hatte der Autor wiederum seinen Neuerungsideen
Ausdruck verliehen. Obendrein kündigte er an, das Lehrbuch zum Gegenstand kommender
Vorlesungen zu machen. Nun fühlte sich der Erzbischof herausgefordert. Am 28. Juni 1831 forderte
er den Kritiker auf zu erklären, ob er sich zu den veröffentlichten Sätzen und Meinungen
bekenne und ob er sich zu einem Widerrufe und neuerlicher Ablegung des in der Priesterweihe
beschworenen Glaubensbekenntnisses entschließen könne. Den ersten Punkt bejahte Reichlin,
die zweite Forderung lehnte er ab. Also ging eine Klagschrift des Oberhirten an die Karlsruher
Regierung mit dem Begehren einer Absetzung. Inzwischen erklärte der Betroffene seine Bereitschaft
, sich auf einen vakanten Lehrstuhl der philosophischen Fakultät versetzen zu lassen.17

Monate verstrichen. Schließlich entschied sich Reichlin, die Beweggründe für seine Haltung
dem Erzbischof in einem Sendschreiben darzulegen, datiert unter dem 31. Dezember 1831.
Der Verfasser führt ins Feld, ihm gehe es um die Sprache des Wahren und Rechten, um Reli-
gions- und Gewissensfreiheit. So sei er zu der Überzeugung gekommen, dass der gegenwärtige
Katholizismus ein anderer sei als jener frühere der ersten christlichen Jahrhunderte. Aus
heutiger Sicht zweifle er an der Eucharistie. Ebenso wende er sich gegen den Glauben an ein
Fegefeuer und gegen jegliche Heiligenverehrung. Er fordere vielmehr Liebe und Duldung gegenüber
den evangelisch-protestantischen Mitbrüdern. Und er schließt: Ich bitte Eure Erzbischöflichen
Gnaden, diese Äußerungen als Resultat meiner Überzeugung, meines freien und
rücksichtslosen Strebens nach Wahrheit, meiner Liebe zur Religion und dem Christenthume
[...] zu sehen und zu würdigen.18 Die Antwort des Erzbischofs mündete in die Aufforderung,
das Priesterweihezeugnis zurückzugeben, da der Betroffene keinerlei kirchliche Ämter mehr
wahrnehmen könne. Zudem wurde allen badischen Dekanaten mitgeteilt, dass der Professor
keine geistlichen Funktionen mehr ausüben dürfe. Reichlin zeigte unterdessen dem Bischof an,
dass er zum evangelischen Glauben übertreten werde. Am 29. Februar 1832 wurde er durch den
Freiburger Dekan Eisenlohr in die protestantische Kirche aufgenommen. Dabei hatte man dem
Konvertiten erlaubt, sein eigenes Glaubensbekenntnis zu verfassen und während des feierli-
chen Akts zu verlesen: [...] ich kam zu anderen Uberzeugungen und Ansichten [...]. Ich wurde
meiner ganzen Richtung nach Protestant. Die lokale Presse, die den Vorgängen bislang wenig
Interesse geschenkt hatte, griff nunmehr den Fall auf: „Soeben hat der ordentliche öffentliche
Professor der hiesigen hohen Schule Dr. Karl Alexander Freiherr von Reichlin-Meldegg, ordentliches
Mitglied der hiesigen Gesellschaft zur Beförderung der Geschichtskunde und d. Z. Präses
des akademischen Sittenephorates [...] seinen Austritt aus der römisch-katholischen und seinen
Übertritt zur evangelisch-protestantischen Kirche offiziell angezeigt."19

Maas (wie Anm. 10), S. 50.
Reichlin-Meldegg (wie Anm. 6), S. 92.

Sendschreiben an Seine Gnaden den Hochwürdigsten Herrn Erzbischof Dr. Bernhard Boll, Druckexemplar
Freiburg 1832, S. 9, 13, 23, 27, 36 und 38.

Jakob Friedrich Eisenlohr: Akt des Ubertritts und der Aufnahme des Dr. Karl Alexander Frhr. von

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