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Dies gilt auch für die vier Strahlen im Uberschneidungsbereich von Längs- und Querbalken
, die die Aufmerksamkeit auf das zentrale „Auge Gottes" im gleichseitigen Dreieck, das
Zeichen der himmlischen Trinität, lenken.12

Ikonografisch am interessantesten bei diesem Grabmal ist das Medaillon auf der äußeren
Türseite des ovalen, ursprünglich zu öffnenden Inschriftenkästchens. Bei älteren Kreuzen befinden
sich bildliche Darstellungen, meist Malereien, in der Regel auf der hinteren Innenwand
des Kästchens und die Inschrift auf der Rückseite der Tür; so waren beide am besten vor der
Witterung geschützt.13 Unsere Darstellung dagegen erscheint als ein aus Eisenblech gearbeitetes
(Halb-)Relief.

Das Motiv zeigt das glückliche Ende des antiken Märchens von „Amor und Psyche".14 Das
Paar unterhält zunächst eine eingeschränkte Liebesbeziehung mit spezifischen Vorgaben, wie
stets bei einer sogenannten „Mahrtenehe":15 In diesem Fall erscheint der Liebhaber lediglich
des Nachts und zwar inkognito, verbunden mit dem Verbot, seiner ansichtig zu werden. Die
Übertretung dieses Tabus führt dann zur Trennung. Die beiden finden erst nach zahlreichen
mühevollen Prüfungen Psyches wieder zueinander; die Götter gestatten eine offizielle Hochzeit
im Himmel und die Braut erlangt Unsterblichkeit.

Unsere Szene spielt wohl unmittelbar vor der Hochzeitsnacht. Das junge Liebespaar blickt
sich tief in die Augen und zeigt seine Verliebtheit. Mit der linken Hand entzündet der geflügelte
Amor die Fackel in einer Dreifuß-Feuerschale auf Postament mit Blumendekor; seine Rechte hat
das Gewand der Geliebten auf Höhe ihrer Brust ergriffen und ist im Begriff, es zu lösen. Psyche,
von angefachtem Liebesfeuer ergriffen, ist mit einer raschen Bewegung (wovon der nachgezogene
rechte Fuß und das bauschende Gewand Zeugnis ablegen) auf Amor zugetreten, hat ihren
rechten Arm um seine Schulter gelegt und hält in der Linken einen Lorbeer-Siegeskranz bereit.
Mit diesem im wörtlichen Sinne „krönenden Abschluss" wird das Glück der beiden perfekt.

Das Liebespaar im Sepulkralbereich

Fragen wir zunächst nach der Aussage dieser erotischen Szene auf einem Grabmal. Das Paar
Amor (bzw. Eros) und Psyche findet sich als Sujet vor allem in der hellenistischen Kleinkunst
auf Vasen, Lampen, Tellern, Spiegelkapseln und geschnittenen Schmuck- und Edelsteinen. Am
bekanntesten wurden die Kapitolinische und die Florentinische Gruppe; diese beiden Rundplastiken
zeigen das sich küssende Paar und stammen aus dem 2. Jahrhundert. Seine größte
Verbreitung fand dieses Motiv jedoch als Relief auf römischen Sarkophagen, im Grenzbereich
heidnischer und christlicher Kunst.16

Beispiele für das „Auge Gottes" mit und ohne Strahlen bei Luckenbach (wie Anm. 9), Waetzel (wie
Anm. 7), Ringler (wie Anm. 9) und Baur-Heinhold (wie Anm. 9).
Luckenbach (wie Anm. 9), S. 6f. und Fig. 12.

Literarisch fixiert wurde das Märchen in den 60er-/70er-Jahren des 2. Jahrhunderts von Lucius Apuleius
von Madaura in seinem Roman „Metamorphosen", der auch unter dem Titel „Der goldene Esel" bekannt
ist. Hier nimmt es als Erzähleinlage breiten Raum ein (Buch 4,28-6,24). Christiane Holm charakterisiert
sie als „brillantes Herzstück" des Ganzen: Christiane Holm: Amor und Psyche. Die Erfindung eines
Mythos in Kunst, Wissenschaft und Alltagskultur (1765-1840), München/Berlin 2006, S. 85ff.
Claude Lecouteux: Das Motiv der gestörten Mahrtenehe als Widerspiegelung der menschlichen Psyche,
in: Vom Menschenbild im Märchen, hg. Jürgen Janning, Heino Gehrts, Herbert Ossowski (Veröffentlichungen
der Europäischen Märchengesellschaft 1), Kassel 1980, S. 59-71 und 147-151.
Holm (wie Anm. 14) S. 68, 76f. und 79ff. - Aufschlussreich ist beispielsweise der viel besprochene „Prometheussarkophag
" für einen auf dem Deckel dargestellten Knaben im Kapitolinischen Museum: Im

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