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Die häufige Darstellung dieses Liebespaars im Sepulkralbereich wird verständlich, wenn
man in Amor zugleich auch den Todesjüngling und in Psyche die menschliche Seele erkennt.
Das griechische Wort hat ja die Doppelbedeutung von „Seele" und „Schmetterling".17 Dessen
biologischer Gestaltwechsel (Metamorphose) stand Pate für die Allegorie des Ubertritts ins
Jenseits.18 Ein Beispiel dafür findet sich auch in den sechs allegorischen Medaillonbildern der
nahe gelegenen Michaelskapelle des Friedhofs, die um drei Deckengemälde gruppiert sind. Die
„Auferweckung des Lazarus" umgeben vier Sinnbilder; eines zeigt Raupe und Schmetterling
mit der Beischrift „In egressu nobilior", die Dotter mit „Beim Herauskommen von edlerer Art"
übersetzt.19
Die Diskussion um die Todesikonografie hatte insbesondere seit Lessings Streitschrift „Wie
die Alten den Tod gebildet" (1769) an Fahrt aufgenommen, an der sich neben Herder zahlreiche
Geistesgrößen beteiligt haben.20 Psyches Schmetterlingsflügel21 sind auf unserem Grabmalmedaillon
jedoch nicht sichtbar. Der tiefe Schlaf, aus dem in der Apuleius-Erzählung Psyche von
Amor vor der Hochzeit am Ende des Märchens erlöst wird, ist häufig als „Todesschlaf" verstanden
worden.22 Auf die Bildende Kunst hatte Apuleius jedoch nur begrenzten Einfluss; so
entstanden weitere Themen wie der gemeinsame Flug des Paares in den Olymp.23 Amor darf
hier als , Seelengeleiter4 in der Tradition des Hermes Psychopompos gelten.24
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mittleren Bildfeld formt Prometheus mit dem Modellierstab einen Menschen aus Ton und Athena fügt
dem Werkstück die Seele in Gestalt eines Schmetterlings hinzu. In der nächsten Szene ist der Mensch gestorben
; vor seinem Leichnam steht der Todesjüngling, dessen Seele, wiederum in Gestalt eines Schmetterlings
, auf der gesenkten Fackel verharrt. Noch weiter rechts trägt Hermes die Seele, diesmal als junge
Frau mit Schmetterlingsflügeln, ins Jenseits. Am linken Bildrand umarmen sich Amor und Psyche, „auch
auf anderen Sarkophagen als schlagwortartig verkürzte Bildformel für Liebe". Paul Zanker/Björn Christian
Ewald: Mit Mythen leben. Die Bilderwelt der römischen Sarkophage, München 2004, S. 60 und
Abb. 40f.
Noelle Icard-Ganolio: Artikel „Psyche", in: Lexicon Iconographicum Mythologiae Classicae (LIMC),
Bd. 7.1, Düsseldorf 1994, S. 575: „Psyche entant que representation de Päme", S. 583: „Psyche-papillon".
Carl August Böttiger: Ideen zur Kunst-Mythologie, Bd. 2: Jupiter, Juno und Neptunus, Amor und Psyche
, Dresden/Leipzig 1836, S. 418ff.; Wilhelm Heinrich Roscher: Ausführliches Lexikon der griechischen
und römischen Mythologie, Bd. 3.2: Pasikrateia-Pyxios, Leipzig 1902-1909, speziell Sp. 3234-
3237; LIMC (wie Anm. 17), Bd. 7.1, S. 575, „Scenes ä connotation funeraire".
Josef Dotter: Die Malereien in der Kapelle auf dem alten Friedhof zu Freiburg i. Br., in: Schau-ins-Land
64 (1937), S. 3-36, Zitat S. 12. Vgl. Falttafel nach S. 8.
Vgl. Jörgen Birkedal Hartmann: Die Genien des Lebens und des Todes. Zur Sepulkralikonographie des
Klassizismus, in: Römisches Jahrbuch für Kunstgeschichte 12 (1969), S. 9-38; Ludwig Uhlig: Der Todesgenius
in der deutschen Literatur von Winckelmann bis Thomas Mann, Tübingen 1975.
Dazu Christel Steinmetz: Amor und Psyche. Studien zur Auffassung des Mythos in der bildenden Kunst
um 1800, Diss., Köln 1989, S. 166ff. - Antonio Canova schuf 1797 eine Skulptur, bei der Psyche einen
Schmetterling auf Amors Hand setzt; beide betrachten ihn, in tiefes Nachdenken versunken, wohl über
die Symbolik des Falters.
Benjamin Hederich spricht vom „Todten-Schlaf", Ders.: Gründliches mythologisches Lexicon, 1770, ND
Darmstadt 1996, Sp. 2118.
Auf einer Kreidezeichnung von Friedrich Rehberg, um 1800-1810, fliegt das Paar über einen anmutigen
Landschaftsgarten mit „Freundschaftstempel" (Wien, Albertina, Inv.-Nr. 17.341). Ganz auf das sich in
den Armen liegende Paar in den Wolken fokussiert Johann Nepomuk Ender in seiner Tuschezeichnung
1815-1817 (ebd., Inv.-Nr. 5.165).
Dazu Hartmann (wie Anm. 20), S. 25 und 36 sowie Steinmetz (wie Anm. 21), S. 221ff.
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