http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2019/0067
Einleitung
Von der Musikpraxis in der Volksmusik abgesehen, war das Musizieren kompositorisch niveauvoller
Werke bis etwa 1800 hauptsächlich professionellen Kräften oder wenigen Liebhabern vor
allem aus Kreisen des Adels vorbehalten. Mit der Ausbildung der bürgerlichen Gesellschaft
nach 1800 verstärkte sich das Interesse am aktiven Musizieren auch bei Laien, was wiederum
ein Grund dafür wurde, dass der Bau von Musikinstrumenten als Zweig des Kunsthandwerks
im Lauf des 19. Jahrhunderts einen recht beachtlichen Aufschwung erfuhr.
Maßgeblich unterstützt wurde diese Konjunktur durch die Entwicklung neuer technischer
Verfahren ebenfalls nach 1800. Diese ermöglichten allgemein große Fortschritte, die sich auch
auf den Bau von Musikinstrumenten auswirkten. Hier wurden nun wegweisende Erfindungen
möglich, wie z.B. 1813 der Bau von Ventilen an Blechblasinstrumenten nach Hermann Stölzel.
In diesem Zusammenhang ist auch die Klarinette nach Iwan Müller zu nennen, mit der ab 1812
wesentliche Verbesserungen gegenüber den Instrumenten noch um 1800 eingeführt wurden.
Waren im Musikinstrumentenbau bis dahin oft über Generationen dauernde, teils mühsame
und kleinteilige Entwicklungsschritte üblich, so konnten mit dem 19. Jahrhundert dank
der Verbesserung industrieller Fertigungstechniken ganz neu konzipierte Instrumente realisiert
werden. Hierzu zählen beispielsweise die Sarrusophone6, die Saxophone, ebenso die späteren
, heute kaum mehr bekannten Rothphone7. Die Basstuba ist ebenfalls ein Kind des 19.
Jahrhunderts wie auch die seit etwa 1839 bekannte (patentiert 1844) sogenannte „Boehm-" oder
„französische Klarinette". Mit ihrer Konzeption und Applikatur war sie ein einziger, genialer
Wurf.
Ebenfalls große Fortschritte wurden im Klavierbau des 19. Jahrhunderts erzielt. Vor allem der
Einsatz eines gegossenen Metallrahmens vermochte hohe Zugkräfte durch die Saitenspannung
aufzunehmen, wodurch ein wesentlich größerer Ton erzielt werden konnte. Dieser gegossene
Rahmen verlieh den Instrumenten eine Stabilität, wie sie bei den bis zu Beginn des 19.
Jahrhunderts noch rein aus Holz gefertigten Tasteninstrumenten nicht zu erreichen war. Hinzu
kamen die Entwicklung wirksamer Repetitionsmechaniken sowie der Ersatz der traditionellen
Hammerbelederung durch Filz.
Im Instrumentenbau des 19. Jahrhunderts werden neue strukturelle Tendenzen erkennbar,
die teilweise bis heute nachwirken. Einzelne Firmen, oft aus der Initiative von Einzelpersonen
oder Familien heraus, konnten sich zu relativ großen und vielteilig produzierenden Unternehmen
entwickeln, z.B. Kohlert in Graslitz oder Sax in Brüssel. Andere wiederum, z.B. Heckel (heute
in Wiesbaden), wurden zu angesehenen Spezialisten für bestimmte Instrumente, wie in diesem
Fall für Fagotte. Daneben konnten sich auch geographische Schwerpunkte herausbilden, z.B. im
sächsischen Vogtland rund um Markneukirchen.
Häufig ließen sich Instrumentenbauer jedoch dezentral nieder und gründeten individuelle
Werkstätten, oft weniger für den Neubau als vielmehr für die Instandsetzung. Gerade
Das Sarrusophon ist ein in verschiedenen Größen gebautes Doppelrohrblattinstrument. Sein Korpus ist
aus Metall gefertigt. Wegen seines Mundstücks wird es jedoch zu den Holzblasinstrumenten gerechnet.
Pierre-Auguste Sarrus entwickelte die Sarrusophone im 19. Jahrhundert für die französische Militärmusik
als akustisch kräftigere Alternativen zu Oboe und Fagott. Siehe hierzu den entsprechenden Wikipe-
dia-Artikel (Stand: 10.05.2019).
Das Rothphon ist ein Doppelrohrblattinstrument und wurde im 19. Jahrhundert von dem Mailänder Fernando
Roth erfunden. Es ähnelt in Material, Form und Struktur dem Saxophon, ist aber im Verhältnis
zur Länge weniger konisch als dieses. Siehe hierzu auch den entsprechenden Wikipedia-Artikel (Stand:
10.05.2019).
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