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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2019/0110
sind. Und weiter: Gläubige Menschen jeden Alters, Frauen und Männer jeder sozialen Herkunft
und in den unterschiedlichsten Situationen, sind für den Herrn und seine Kirche eingetreten, sei
es gelegen oder ungelegen (vgl. 2 Tim 4,2). Für die meisten war es ungelegen, denn sie haben
damit Familie, berufliche Vorteile, Karriere, Zukunftschancen etc., etwa auch ihrer Kinder und
Angehörigen aus Treue zu Jesus Christus und seinem Evangelium aufs Spiel gesetzt."

Bemerkenswert ist die hier zum Ausdruck gebrachte Klarheit, mit der das Handeln der
Märtyrer und damit der Widerstandskämpfer in Verbindung mit ihrer christlichen Haltung und
Motivation gebracht wird. Das wird nicht immer so gesehen. Anders als der Kommunismus/
Sozialismus, dessen Widerstandshaltung als immanent gedacht wird, gilt der christliche Widerstand
nicht als selbstverständlich. So schreibt der Historiker Hans Mommsen in seinem Aufsatz
„Der Widerstand gegen Hitler und die deutsche Gesellschaft":124

„Selbst wer den Nationalsozialismus grundsätzlich ablehnte, bedurfte, unabhängig von
individueller Risikobereitschaft, einer Perspektive, aus der heraus der Schritt zum Widerstand
getan werden konnte. Unbestreitbar gab es auch außerhalb des kommunistischen
und sozialistischen Lagers, die von vornherein in einem unüberbrückbaren Gegensatz
zur NSDAP gestanden hatten, zahlreiche Hitler-Gegner der ersten Stunde [...]"

Gerade die tiefe Verankerung im Christentum hat für viele die vollkommene innere Unabhängigkeit
von dem Regime Hitlers begründet. Hans Mommsen schreibt hierzu:125

„Es ist nicht leicht, sich einzugestehen, dass der Nationalsozialismus oder doch Teile
der Ziele, für die er stand, so tief in das Denken und Handeln der deutschen Massen
eingedrungen waren, daß nur aus letztlich utopistisch bestimmtem und tief religiösem
Denken heraus Widerstandskräfte mobilisiert werden konnten, während pragmatisch
denkende Politiker wie Konrad Adenauer oder Theodor Heuss in Resignation verfielen
oder keinen Ansatzpunkt zu realistischem Handeln erblicken zu können glaubten
."126

Dieses Widerstandspotential spiegelt sich in der Haltung der Zentrumsmitglieder wider.
Anders als zum Teil in konservativen oder nationalbürgerlichen Kreisen bezog sich die Staatsbejahung
des Zentrums allein auf den Rechtsstaat, nicht auf die Diktatur.127 Der Zusammenhang
zwischen starker religiöser Prägung und Distanz zum Nationalsozialismus zeigt sich bei den
Zentrumsmitgliedern auch daran, dass Angehörige des Mittelstandes und der Bauernschaft, die
sich sonst gegenüber dem Nationalsozialismus als anfällig gezeigt hatten, unter den Zentrumswählern
ihre politische Position weitgehend nicht veränderten.128 Bei den Reichstagswahlen am
5. März 1933 kommt der Widerstand des Zentrums in eindeutiger Weise zum Ausdruck.129

124 Hans Mommsen: Der Widerstand gegen Hitler und die deutsche Gesellschaft, in: Schmädeke/Steinbach
(wie Anm. 31), S. 3-23, hier S. 5.

125

126
127

128
129

Vgl. etwa das klare Urteil Moltkes in dieser Frage, der in einer „säkularen Ersatzreligion" wie dem Nationalsozialismus
einen Ausdruck „des Bösen" erkannte.
Mommsen (wie Anm. 124), S. 14.

Zu den Zentrums-Vorstellungen einer „reformierten" oder „autoritären" Demokratie siehe Rudolf Mor-
sey: Der Untergang des politischen Katholizismus. Die Zentrumspartei zwischen christlichem Selbstverständnis
und ,Nationaler Erhebung' 1932/33, Stuttgart 1977, S. 50.
Stehkämper (wie Anm. 31), S. 127.

Von Hitler selbst so gewertet: Was die Wähler des Zentrums und der Bayerischen Volkspartei anlange,
so würden sie erst dann für die nationalen Parteien zu erobern sein, wenn die Kurie die beiden Parteien
fallen lasse, Ministerbesprechung am 07.03.1933; vgl.: Die Regierung Hitler, T. 1: 1933/34, Bd. 1, bearb.
von Karl-Heinz Minuth, Boppard 1983, S. 15f., Nr. 44.

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