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Notgeld als Problemabgrund
Als man 1917 den ersten Notgeldschein ausgab, um dem örtlichen Handel zu helfen, hatte wohl
noch keiner der Beteiligten geahnt, welche Vielzahl von Problemen aus einem solchen Not-
Zahlungsmittel erwachsen sollte. Uberall im Land sahen sich die Stadtverwaltungen vor neue
Herausforderungen verwaltungstechnischer, logistischer und juristischer Art gestellt. Grundsätzlich
sollte lokal ausgegebenes Notgeld, nachdem es seine Gültigkeit verloren hatte, eingezogen
und vernichtet werden, da dann ja wieder gesetzliche Zahlungsmittel an seine Stelle treten
sollten. Doch da die Reichsbank diese in der Folgezeit nie liefern konnte, folgten immer neue
lokale Notgeldausgaben mit ständig steigenden Nominalwerten und jeweils begrenzter zeitlicher
Gültigkeit als Zwischenlösungen. Mit dem Ergebnis, dass bei den Städten die entwerteten
Geldberge ständig wuchsen.
Eine erste Bilanz im Hinblick auf bereits zurückgeflossene Großnotgeldscheine vom 8. März
1919 verzeichnete 100 Pakete zu je 20.000 Mark, 45 zu je 10.000 Mark und 55 zu je 5.000 Mark
(= 2.675.000 Mark). Dies entsprach etwa einem Drittel der Ausgabesumme von gut 8,2 Millionen
Mark. Ein Rundschreiben des Ministers für Handel und Gewerbe vom 5. April 1919 machte
nun den Städten verbindliche Vorgaben, dass die ausgegebenen Ersatzwertzeichen von 1 Mark
und darüber vor Ort zu vernichten seien. Wie das zu bewerkstelligen sei, bleibe den Kommunen
anheimgestellt. Die Reichsbank selbst habe in der Vergangenheit die Scheine entweder
karbonisiert oder durchlocht. Ihre Kapazitäten seien erschöpft, da inzwischen viel zu viel Geld
im Umlauf sei. Vom Verbrennen rate man ab, weil dabei zu viele Scheine aus dem Schornstein
geschleudert oder unvollständig verbrannt würden.
Von diesen technischen Entsorgungsproblemen abgesehen - wie sollte eine Stadtverwaltung
mit den aus dem Verkehr gezogenen Scheinen umgehen? Sie wie gefordert vernichten oder vielleicht
doch (heimlich) aufbewahren? Womöglich ließen sich die mit beträchtlichem Aufwand
hergestellten Scheine später noch einmal verwenden. Auch dokumentierte das entwertete Geld
ja ein Stück Stadtgeschichte. Und es stieß zunehmend auf das Interesse privater Sammler - und
nicht nur jenen aus Freiburg selbst. So argumentierte am 7. April 1919 der Leiter der Städtischen
Sammlungen, aus dem Verkehr gezogene Notgeldscheine mögen an öffentliche Stellen unentgeltlich
abgegeben werden, an Privatleute hingegen nur gegen Gebühr von zwei Mark pro Stück.
Auch sei ein gewisser Bestand in den Städtischen Sammlungen schon deshalb vorzuhalten, um
ausreichend Tauschmaterial zu haben z.B. 300 Stück von jeder Sorte. Ein entsprechender Be-
schluss des Stadtrats erfolgte am 13. Juni 1919: Von vielen Museen, Archiven und Städten werden
wir ersucht, unentgeltlich ein oder mehrere Stücke entwerteter Notgeldscheine zu überlassen.
Wir haben diesen Ersuchen jeweils stattgegeben. Es ist aber wünschenswert, dass auch das hiesige
Archiv Notgeldscheine anderer Städte wenigstens in beschränkter Anzahl erhält.
Auch auf juristischer Ebene bereitete das aus dem Verkehr gezogene Notgeld große Probleme
, vor allem im Hinblick darauf, ob und wie lange nach seiner Entwertung eine Verpflichtung
zur Einlösung bestand. Die einzelnen Städte verfuhren dabei höchst unterschiedlich, wie das
Ergebnis einer Rundfrage des Geschäftsführers des Badischen Städteverbandes in Karlsruhe
vom 16. Februar 1920 zeigte: Offenburg löst Notgeldscheine vom 1.4.20 ab nicht mehr ein,
vorbehaltlich von Ausnahmen nach freier Entschließung nach diesem Zeitpunkt, Lahr hält die
Ansicht für richtig, dass die Notgeldscheine Schuldverschreibungen auf den Inhaber sind, die
Einlösungspflicht daher erst innerhalb 30 Jahren verjährt. Lahr löst daher auch weiterhin ein.
Die Fälle der nachträglichen Einlösung seien aber selten. Baden-Baden habe bisher die Einlösung
auch nach dem Aufruf zugelassen, neuerdings aber die Sperr Verfügung weggelassen.
Konstanz habe trotz Verfall der Notgeldscheine am 1.6.19 noch bis 1.9.19 eingelöst, danach
die Einlösung aber abgelehnt. Pforzheim habe das Ende der Einlösung durch öffentliche Be-
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