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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2019/0123
Zur gleichen Zeit begann man über Ersatz auch für den „Blauen" nachzudenken - zumal
sich inzwischen überall im Land eine Tendenz zum ästhetisch anspruchsvolleren Notgeldschein
abzeichnete: Die jetzigen 50 Pfennig Scheine sind bekanntlich nicht gerade Kunstwerke. Das
Stadtjubiläum bietet eine günstige Gelegenheit sie durch schönere zu ersetzen. Die durch eine
Neuausgabe entstehenden Kosten würden durch den Verkauf der Scheine an Sammler nicht nur
völlig wieder eingebracht, sondern es könnte eine ansehnliche Summe noch als Überschuss erzielt
und teilweise zur Deckung der Kosten für die Jubiläumsausstellung verwendet werden. Es
kann doch erwartet werden, dass die Mehrzahl der Freiburger Bürger sich solche Scheine zur
Erinnerung an das Stadtjubiläum aufbewahrt. Also sollte nun nicht nur ein Entwurf ausgeführt
werden, sondern möglichst eine ganze Reihe, damit auch die Einnahme für die Stadt entsprechend
groß ist.

Erinnerungs-Seriennotgeld - eine Freiburger Erfindung?

Die Anregung zu mehreren Entwürfen für eine einzige Wertstufe sei von einem Dr. Keller
gekommen, der in Notgeldgeldsachen eine ganz besondere Erfahrung besitzt, zumal er Herausgeber
einer Zeitschrift über Notgeld ist. Dabei handelte es sich mit großer Wahrscheinlichkeit
um den als „Notgeld-Papst" bekannt gewordenen Arnold Keller. Dieser hatte beobachtet, dass
schon während des Krieges einige Gemeinden 50 Pfennig-Scheine in verschiedenen Varianten
ausgegeben hatten, ohne dass jemand daran Anstoß nahm (so die Gemeinden Wunsiedel, Nörd-
lingen oder Königshofen).16

Freiburg wagte es nun als erste größere Stadt, gleich drei verschiedene 50 Pfennig-Scheine
auszugeben, die neben seinen Parade-Bauwerken (Münster, Historisches Kaufhaus und Neues
Rathaus) zusätzlich den Aufdruck „1120 - 1920" trugen (Abb. 4a-c). Das machte sie sehr
deutlich zu Jubiläums-Erinnerungsscheinen für Sammler. Was nun niemand voraussah: Als sie
am 30. März 1920 erschienen, sollten sie geradezu den Startschuss für die nun gut zwei Jahre
andauernde Periode des sogenannten „städtischen Seriennotgelds" abgeben. Damit konnte man
zwar jeweils vor Ort bezahlen, sollte dies aber - im Sinne derjenigen, die es ausgegeben hatten
- aber möglichst nicht tun.

Dem Freiburger Vorbild folgend explodierte das Seriennotgeld jetzt landesweit. Immer mehr
Gemeinden drängten mit Serien, deren jede bald 4, 6, 12 oder noch mehr Scheine hatte, auf den
Markt. Zeitschriften wie „Notgeld-Sammlermarkt" oder „Notgeld-Börse" wurden gegründet
und fanden steigenden Absatz, Druckereien machten den Stadtverwaltungen verlockende Angebote
, wie viel sich mit besonders schön gestalteten Serien verdienen ließ, Händler ermunterten
reihenweise Gemeinden, eigenes Notgeld zu drucken (und es über sie zu vertreiben), Buchhändler
begannen, allwöchentlich die neuesten Scheine im Schaufenster auszustellen. Immer mehr
Botschaften wurden den Scheinen aufgepackt, wenn sie zugleich die Stadt preisen, die örtliche
Industrie bewerben und auch noch den Fremdenverkehr ankurbeln sollten. Schnell lernten die
Stadtverwaltungen sich all jener Tricks zu bedienen, die bis heute jedes künstlich inszenierte
Sammelgebiet lukrativ machen, wenn z.B. eine Serie von 12 Motiven eine von Schein zu Schein
fortlaufende Geschichte in Wort und Bild erzählte, damit die Sammler nur ja jeden einzelnen
Schein erwarben.17 Der Boom machte selbst vor kleinsten Orten, von denen zuvor noch nie

Arnold Keller: Das deutsche Notgeld. Kleingeldscheine 1916-1922, IV Teil: Serienscheine, neu hg. von
Albert Pick und Carl Siemsen, München 1975, Nachwort 1953, S. 233-247.

Zum Phänomen des Sammeins generell: Volker Ilgen/Dirk Schindelbeck: Jagd auf den Sarotti-Mohr.
Von der Leidenschaft des Sammeins, Frankfurt/M. 1997.

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