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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2019/0125
jemand etwas gehört hatte wie Alten- und Frauenbreitungen, Igelshieb, Ziegenrück oder gar
eine Hallig wie Langeneß nicht Halt. Zur Jahreswende 1921/22 lag Deutschland flächendeckend
unter einer Seriennotgelddecke von mehr als 10.000 verschiedenen Scheinen, ausgegeben von
mindestens 1.365 Städten, Gemeinden, Kriegervereinen, Zoos bis hinunter zu einer Reihe von
Gaststädten und Cafes.18 Wie viel die Stadt Freiburg an Reingewinn über ihre rosafarbene Bauwerk
-Serie erwirtschaftete und welchen Beitrag deren Verkauf zur Finanzierung des Stadtjubiläums
im Juli 1920 beitrug, geht aus den Unterlagen leider nicht hervor, es ist jedoch von einem
stattlichen Betrag auszugehen.

Seriennotgeld als Verkaufsschlager

Offenbar trafen die bunten Seriennotgeld-Scheinchen den Nerv der Zeit - als Ausdruck gelebter
Selbstdarstellungskultur aus der Provinz und zugleich symbolschwerer Protest gegen den Staat
und seine Schwäche als Ordnungsmacht. Der Höhepunkt der Welle erfolgte im Sommer 1921,
als das Seriennotgeld eins der wenigen Güter war, an dem zu dieser Zeit kein Mangel herrschte.
Schließlich war die politische und soziale Lage Deutschlands desaströs. Die im Versailler Vertrag
festgeschriebenen Reparationsverpflichtungen, deren Tilgung sich bis in die 1980er-Jahre
hinziehen sollte, empfand die Bevölkerung als „Versklavung" über Generationen hin. Nachdem
Deutschland schon im Frühjahr 1921 mit den Zahlungen in Rückstand geraten war, besetzte
französisches und belgisches Militär Düsseldorf und Duisburg. Drei Regierungen versuchten
die ausweglose Lage zu meistern. Dem Kabinett Konstantin Fehrenbachs folgte im Mai 1921
das Kabinett Joseph Wirth, das wegen seiner „Erfüllungspolitik" von völkischer und deutschnationaler
Seite erbittert bekämpft wurde. Währenddessen kam der dringend erforderliche Wiederaufbau
aufgrund von Boykotten deutscher Waren nicht in Gang. Vor allem Frankreich war
daran interessiert, Deutschland wirtschaftlich klein zu halten. Die Handelsbilanz kippte ins
Negative, die Importe überstiegen die Exporte. Der Kurs der Mark stürzte dramatisch ab: Im
Januar 1921 hatte ihr Valuta-Wert gegenüber dem Dollar noch 64:1 betragen, im November lag
er bei 295:1. Gleichzeitig nahm der politische und ökonomische Druck auf die Grenzen des
Reiches zu, vor allem im Saarland, in Ostpreußen und im oberschlesischen Industriegebiet,
das trotz des Mehrheitsvotums der Bevölkerung für den Verbleib bei Deutschland aufgrund
eines Völkerbundbeschlusses am 20. Oktober Polen zugesprochen wurde. Bereits im März hatte
Reichspräsident Ebert auf die Rheinland-Besetzung reagiert: Der Gewalt können wir Gewalt
nicht entgegensetzen, wir sind wehrlos. Aber hinausrufen können wir es, dass alle es hören,
die noch die Stimme der Gerechtigkeit erkennen: Recht wird hier zertreten durch Gewalt. [...]
Ehern zusammenschmieden soll uns dieses Leid}9

Dirk Schindelbeck: Seriennotgeld, in: Trödler. Europas Sammlermagazin Heft 10/2018, S. 14-18, und
Heft 11/2018, S. 76-81.

Vgl. dazu Dirk Schindelbeck: Wenn Scheine Geschichten erzählen, in: DAMALS. Das Magazin für
Geschichte Heft 4/2017, S. 72-76.

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