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er seine Zustimmung nicht gibt. Man solle ihn auf dem Glauben wegen der Berufung lassen, sein
Sohn werde in den nächsten Tagen weggeholt.15

Und so geschah es - ohne Einwilligung der Eltern des 17-jährigen Jungen und durch eine
bewusst betrügerische Irreführung seitens des Kreisjugendamtes und des Bürgermeisters. Dass
Friedrich Spindler dies nicht eben frohgemut hinnahm, lässt sich denken. Entsprechend fiel
seine Beurteilung aus: Dort führte er sich schlecht und durch seine unoffene, verdrückte und
verschlagene Wesensart fiel er unangenehm auf. Auch hatte er dort Fluchtpläne geschmiedet.16

Ein folgenreicher Zwischenfall ereignete sich dann am 28. Januar 1943. In den Arbeitsräumen
des Heimes unterhielt sich Friedrich Spindler mit vier weiteren Zöglingen, die alle in
der Mattenflechterei beschäftigt waren. Dabei kamen auch die verlustreichen Kämpfe der bei
Stalingrad eingekesselten Wehrmacht zur Sprache, und die Jugendlichen erörterten die Möglichkeit
, zum Heeresdienst eingezogen zu werden. Friedrich Spindlers Äußerungen wurden
von zweien der Zöglinge dem Erzieher Hermann Ginter gemeldet. Dieser sah sich verpflichtet,
die Anzeige der Direktion weiterzuleiten, die dann die Gendarmerie davon in Kenntnis setzte.
Nach Aussagen der vernommenen vier Zöglinge, des Erziehers und des vernehmenden Gendarmerie
-Oberwachtmeisters Hugo Herkert habe Spindler ausgeführt: Wenn ich zu den Soldaten
komme und in einer solchen Lage wäre (wie die Stalingradkämpfer), möchte ich am liebsten ein
Gewehr haben, das hintenhinaus schiesst! Darüber hinaus habe er erklärt: Ein Elsässer ist mir
am Arsch lieber, als 10 Deutsche im Gesicht! Schließlich habe er sich zu Aussprüchen gegen
den Führer hinreißen lassen: Heil Moskau, der Führer ist eine Drecksau. Adolf Hitler verreckt
zuerst, dann kommt die Partei, Adolf Hitler gehört aufgehängt. Das Ganze habe in einem Spottvers
gegipfelt: Heil, Heil, Heil, / der Hitler hängt am Seil, / lass ihn baumeln hin und her, /
wenn nur einmal Kommunismus wär!11 Oberwachtmeister Herkert nahm an, Spindler habe seine
Äußerungen aus Leichtsinn und Unbesonnenheit kundgetan. Dieser wiederum behauptete, sie
seien verdreht worden und er habe anderen nur nachgesprochen.18

Am 10. Februar 1943 wurde Friedrich Spindler auf Veranlassung der Gestapo verhaftet und
in das Heidelberger Gefängnis eingeliefert.19 Drei Tage später ordnete das Sondergericht Mannheim
Untersuchungshaft an, weil er dringend verdächtig sei, öffentlich den Willen des deutschen
Volkes zur wehrhaften Selbstbehauptung zu lähmen oder zu zersetzen. Dies sei ein Verbrechen.
Da der Beschuldigte den Umfang der Tat nicht in vollem Maße zugebe sowie Fluchtverdacht und
Verdunkelungsgefahr bestehe, müsse er in Haft bleiben.20

Dass Friedrich Spindlers Äußerungen in die Zuständigkeit des Sondergerichtes Mannheim
fielen, weist auf den Ernst seiner Lage hin. Sondergerichte waren im März 1933 geschaffen
worden, um Vergehen gegen die einen Tag nach dem Reichstagsbrand am 27. Februar 1933
erlassene Verordnung zum Schutz von Volk und Staat zu ahnden. Diese erleichterte die Verfolgung
von Oppositionellen und setzte wesentliche Grundrechte außer Kraft. Auch die Rechte

Den gesamten Absatz nach: StAF, G 12/2 P. 3 Nr. 240.

GLA, 507 Nr. 4720 Bl. 106, ebenso Nr. 4721 (aus der Urteilsbegründung vom 06.07.1943).

Strafanzeige und Vernehmungsprotokolle vom 06.02.1943, Antrag auf Haftbefehl vom 12.02.1943 und

Haftbefehl vom 13.02.1943: GLA, 507 Nr. 4720, Bl. 1-15. Die Zitate sind auch in die Urteilsbegründung
vom 06.07.1943 eingegangen (und daraus hier übernommen): GLA, 507 Nr. 4720 Bl. 107, ebenso Nr. 4721.

GLA, 507 Nr. 4720 Bl. 8f.

Ebd., Bl. 10-12.

GLA, 507 Nr. 4720 Bl. 15-18, vgl. Nr. 4721. Das Verfahren gegen Friedrich Spindler erhielt das Aktenzeichen
: So KMs 24/43, die Inhaftierung: So Js 111/43. Zu weiteren Einzelheiten des Verfahrens und der
Unterbringung in der Haftanstalt sind die genannten Akten heranzuziehen.

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