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von Beschuldigten vor Gericht wurden eingeschränkt. Ebenso waren die Sondergerichte zuständig
für Verstöße gegen das Gesetz vom 20. Dezember 1934, das heimtückische Angriffe
auf Staat und Partei unter Strafe stellte.21 Geahndet wurden insbesondere unwahre und böswillige
Behauptungen. Eine wesentliche Ausweitung der Sondergerichtsbarkeit erfolgte durch das
Kriegssonderstrafrecht, das mit der Verordnung vom 17. August 1938, § 5 Abs. 1 Ziffer 1, auch
der Inhaftierung Spindlers zugrunde gelegt wurde. Wer sich der damit verbotenen Wehrkraftzersetzung
schuldig machte, konnte mit dem Tod bestraft werden. Während des Krieges fällten
die Sondergerichte auch immer häufiger entsprechende Urteile.22 Friedrich Spindler musste mit
dem Schlimmsten rechnen.
Sein Fall wurde dann auch am 22. Februar 1943 dem Oberreichsanwalt beim Volksgerichtshof
in Berlin vorgelegt, da der Verdacht eines Verbrechens der Wehrkraftzersetzung gegeben
sei.23 Dieser gab am 6. März die Zuständigkeit an den Generalstaatsanwalt beim Oberlandesgericht
Stuttgart ab, wollte aber informiert bleiben. Peter Spindler erkundigte sich mehrfach nach
dem Verbleib seines Sohnes und sprach auch in Mannheim vor. Dabei erklärte er, Friedrich sei
kein Zigeunermischling. Am 15. März bat er schließlich um Mitteilung, wann die Verhandlung
stattfinden werde. Eine entsprechende Nachricht ging am 24. Juni an ihn ab. Doch zu dieser
Zeit war die Familie bereits nach Auschwitz deportiert worden, sodass der Brief zurückkam:
Adressat verzogen wohin unbekannt.24
Am 16. März 1943 wies der Stuttgarter Generalstaatsanwalt den Mannheimer Oberstaatsanwalt
an, gegen Spindler nur noch unter dem Gesichtspunkt der Heimtücke zu ermitteln, da
Wehrkraftzersetzung [...] nach den Umständen nicht erweislich ist. Der Oberstaatsanwalt beim
Landgericht Mannheim, der vor dem Sondergericht die Anklage vertrat, beauftragte am 25.
März 1943 das Staatliche Gesundheitsamt Heidelberg mit einem amtsärztlichen Gutachten, um
die strafrechtliche Verantwortlichkeit Spindlers, insbesondere seine Zurechnungsfähigkeit zu
beurteilen sowie zu prüfen, ob Maßnahmen zur Sicherung und Besserung erforderlich seien
und ob Spindler als ein Schwerverbrecher angesehen werden müsse, der - obwohl zum Zeitpunkt
der Tat 17-jährig - nach seiner Entwicklung einer Person über 18 Jahre gleichkomme.
Mit dem Gutachten betraute das Gesundheitsamt den Psychiater und Medizinalrat Dr. Gustav
Ehrismann.25
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Das Gesetz erweiterte die am 21.03.1933 verkündete Verordnung zur Abwehr heimtückischer Angriffe
gegen die Regierung der nationalen Erhebung.
Vgl. Christiane Oehler: Die Rechtsprechung des Sondergerichts Mannheim 1933-1945, Berlin 1997;
Michael P. Hensle: Die Todesurteile des Sondergerichts Freiburg 1940-1945. Eine Untersuchung unter
dem Gesichtspunkt von Verfolgung und Widerstand (Splitter 16), München 1996.
GLA, 507 Nr. 4720 Bl. 27-31, Zitat 27; vgl. im Folgenden den Fortgang des Verfahrens.
Ebd., Bl. 29, 41, vgl. 43, der Brief vom 24.06.1943 Bl. 85f. Frühere Nachfragen: GLA, 507 Nr. 4721.
GLA, 507 Nr. 4720 Bl. 45f, das Gutachten des Dr. Ehrismann vom 10.04.1943 dann Bl. 47-53 (auch in Nr.
4721). Das Gesundheitsamt Heidelberg berechnete dafür 37,79 RM (Nr. 4720 Bl. 55).
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