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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2019/0167
Im September 1949 war er kurzzeitig aus gesundheitlichen Gründen arbeitsunfähig, im
Sommer 1950 dienstbehindert und anschließend wegen Krankheit beurlaubt. Der Amtsarzt des
Gesundheitsamtes Heidelberg bescheinigte, dass die Voraussetzungen für eine Zurruhesetzung
vorlägen. Am 29. November 1950 erfolgte der offizielle Antrag, am 21. Februar 1951 unterschrieb
der Ministerpräsident des damaligen Landes Württemberg-Baden, Dr. Reinhold Maier,
die entsprechende Urkunde, die am 30. Juni 1951 in Kraft trat. Erst 57 Jahre alt, musste Gustav
Ehrismann seinen Beruf aufgeben. Auf den ersten Blick sieht dies wie eine bedauerliche Folge
einer Erkrankung aus. Doch ein Schreiben des Präsidenten des Landesbezirks Baden - Landesbezirksdirektion
für innere Verwaltung und Arbeit - vom 2. August 1951 macht stutzig.
Darin heißt es: Das mit Erlass vom 1. Dezember 1949 [...] gegen den Medizinalrat Dr. Gustav
Ehrismann [...] eingeleitete Vorermittlungsverfahren wird [...] eingestellt und von dienststrafrechtlichen
Massnahmen Abstand genommen, nachdem Medizinalrat Dr. Ehrismann auf seinen
eigenen Antrag [...] in den Ruhestand versetzt worden ist. Die Kosten des Verfahrens werden
niedergeschlagen.63 Was war geschehen?

Am 10. November 1949 verstarb in der Wieslocher Anstalt Irmgard Hefter. Es wurde Selbstmord
durch Vergiftung festgestellt. Frau Hefter, Patientin der Anstalt, war aus arbeitstherapeutischen
Gründen als Haushaltshilfe beim Ehepaar Ehrismann tätig gewesen.64 Einen Tag später
hielt Dr. Ehrismann in einer Protokollnotiz fest, Irmgard Hefter sei eine debile Psychopathin,
die er seit 1947 in Familienpflege habe. Sie sei fleißig und willig gewesen und habe keine Anzeichen
einer Depression gezeigt. Er schilderte die Vorgänge am 10. November aus seiner Sicht.
Der Selbstmord war ihm unverständlich.65

Anstaltsdirektor Prof. Dr. Heinrich Kranz, der seinerzeit über Albert Scheffels Todesum-
stände gegutachtet hatte,66 meldete am 17. November 1949 den Selbstmord der Patientin ganz im
Sinne der Aussagen von Gustav Ehrismann und fügte noch hinzu, es solle eine Auseinandersetzung
mit Frau Ehrismann gegeben habe, die zu einer Kurz Schlusshandlung geführt habe. Noch
am selben Tag musste er allerdings nachtragen, dass Dr. Gustav Ehrismann zugegeben habe,
Frau Hefters Krankengeschichte zwei Tage nach ihrem Tod durch eine neue ersetzt und die alte
vernichtet zu haben. Wesentliche Änderungen habe er nach eigener Aussage nicht vorgenommen
, sondern die Krankengeschichte lediglich in eine ordentliche Form gebracht. Daraufhin
wurde am 1. Dezember 1949 eine Vorermittlungsverfahren eingeleitet. Dabei ergab sich, dass
Frau Hefter nicht nur viel Schmutzarbeit hatte verrichten müssen, sondern möglicherweise auch
von Frau Ehrismann geschlagen worden war. Das Gift hatte sie offenbar noch in der Wohnung
der Eheleute Ehrismann eingenommen. Ehrismann erklärte am 14. Dezember 1949 schriftlich,
er habe die lückenhafte und stichwortartige Krankengeschichte schon länger ausführlicher gestalten
wollen, dies aber immer aufgeschoben, weil es ihm nicht dringlich erschienen sei; Frau
Hefter werde ja noch länger in der Anstalt bleiben (Randbemerkung wohl des Ermittlers: oho!).
Nach deren Tod habe die Krankengeschichte abgeschlossen werden müssen, dazu sei er verpflichtet
gewesen. Die frühere Fassung sei damit wertlos geworden und habe deshalb ohne
weiteres vernichtet werden können (Fragezeichen am Rand). Diese Auffassung wiederholte er

GLA, 463 Zugang 1983-60 Nr. 489 (ohne Paginierung), 466-2 Nr. 2068. Am 20. Oktober 1955 nahm

Ehrismann noch einmal an den Feierlichkeiten zum 50-jährigen Bestehen der Wieslocher Anstalt teil,
bei der die Ereignisse während der nationalsozialistischen Herrschaft verschleiert und vertuscht wurden
(Janzowski [wie Anm. 40], S. 407-409, Erwähnung Ehrismanns auf S. 407).

Vgl. Anm. 51 zur in Wiesloch angewendeten Arbeitstherapie.

GLA, 466-2 Nr. 2069 (ohne Paginierung, darauf wird im Folgenden nicht mehr hingewiesen).
Siehe Anm. 55.

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