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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2019/0170
ihr Verhältnis zum Ehepaar Ehrismann noch einmal genauer zu untersuchen? Wäre es nicht
geboten gewesen, noch einmal nachzuforschen, ob das Giftfläschchen nicht vielleicht doch aus
dem Haushalt des Ehepaares stammte? So blieben letztlich Irmgard Hefters Selbstmord und
seine Vorgeschichte unaufgeklärt.

Ebensowenig erhalten wir Hinweise, in welcher Weise Ehrismanns Verhalten gegenüber
„seinen" Patienten in Emmendingen, gegenüber „Zigeunern" und gegenüber seiner Haushaltshilfe
zusammenhängen. Seine Drogeneinnahmen deuten auf eine „Flucht" vor Problemen hin.78
Gustav Ehrismann verstarb am 18. März 1971, seine Witwe Luzia am 30. September 1992.79

Friedrich Spindler

Friedrich Spindler hatte nach der Untersuchung durch Dr. Gustav Ehrismann wahrscheinlich
gemerkt, dass er diesmal mit einer schwereren Bestrafung als sonst rechnen musste. Am 25.
April 1943 richtete er ein handschriftliches Gesuch an den Oberstaatsanwalt, ihm, der wegen
Bolidik inhaftiert sei, den Wunsch zu gewähren, für sein Vaterland kämpfen zu [...] dürfen. Bei
seiner jugendlichen Dummheit habe er sich nichts gedacht. Er habe es in seiner Zelle schon
heftig bereut, dass er seinen Führer beleidigt habe, und bitte darum, das Verfahren einzustellen,
damit er in das Heer eintreten dürfe. Am 6. Juni 1943 wiederholte er seine freiwillige Meldung
(er schrieb: widerufe, aber aus dem Zusammenhang ist deutlich, dass er „wiederhole" meinte).
Am 2. Juli benannte er angesichts der bevorstehenden Hauptverhandlung einen Zeugen und bat
darum, diesen anzuhören. Allerdings gab er nicht an, was der Zeuge aussagen könne - er war
bei dem Vorfall in Sunnisheim nicht dabei gewesen und befand sich derzeit im Heilbronner
Jugendgefängnis. Weiter betonte er, er habe eingesehen, dass er nicht auf dem richtigen Weg
sei, und wolle ein anderer Mensch werden. Er danke Gott, dass er nun auf dem Weg zur Volksgemeinschaft
sei.

Mit seinen Anträgen hatte Friedrich Spindler keinen Erfolg. Seine freiwillige Meldung zur
Wehrmacht wurde gar nicht behandelt und der Antrag auf Ladung des Zeugen abgelehnt, weil
nicht ersichtlich sei, was er bekunden solle. Hingegen hatte am 7. Juni 1943 der Reichsminister
der Justiz angeordnet, eine Strafverfolgung nach dem „Heimtücke-Gesetz" von 1934 vorzunehmen
. So erging dann in der kurzen Hauptverhandlung am 6. Juli 1943 das Urteil des Sondergerichts
Mannheim unter Vorsitz von Amtsgerichtsdirektor Dr. Spiegel, Friedrich Spindler als
jugendlichen Schwerverbrecher wegen heimtückischer Äusserungen nach § 2 Abs. I und II des
Gesetzes vom 20.12.1934 zu einem Jahr Gefängnis abzüglich drei Monate Untersuchungshaft
zu verurteilen. Der Angeklagte hat die Kosten zu tragen. In der Urteilsbegründung folgte das
Gericht - wie schon der Oberstaatsanwalt in der Anklageschrift - vollständig Dr. Ehrismanns

Selbstzeugnisse aus dem Nachlass oder Erinnerungen von Verwandten und Bekannten konnten nicht

ermittelt werden. Das Ehepaar Ehrismann hatte keine Kinder. Verwandte der Ehefrau - Friedrich Schott
(1913-1997) und seine Ehefrau (1917-2012) - traten noch in den 1990er-Jahren in Erbauseinandersetzungen
auf, sind aber inzwischen verstorben. Ob weitere Verwandte befragt werden könnten, durfte
gemäß § 62 des Personenstandsgesetzes nicht mitgeteilt werden (Auskunft des Standesamtes Münster
vom 15.02.2019). Das Stadtarchiv Münster konnte mir noch Angaben zu den Eltern und Geschwistern
des Friedrich Schott übermitteln, jedoch nicht zu Nachkommen (Schreiben von Martina Körper vom
14.03.2019). In der Familie des Bruders von Gustav Ehrismann war dessen Leben kein Gesprächsthema.
Sein Neffe Otfrid Ehrismann hat von all den hier berichteten Geschehnissen nichts gewusst, obwohl seine
Mutter, wie er vermutet, vieles erfahren haben dürfte (Schreiben von Otfrid Ehrismann vom 02.02.2019).

Mitteilung von Otfrid Ehrismann vom 22.01.2019.

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