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Gutachten. Es sei das Erwachsenenrecht anzuwenden, zumal er eine besonders verwerfliche
Gesinnung gezeigt habe. Vom Urteil wurde im Übrigen auf Antrag vom 14. Oktober 1943 auch
der Bann Sinsheim der Hitler-Jugend unterrichtet, der es dem HJ-Gericht vorlegen wollte. Friedrich
Spindler hatte offenbar während seiner Unterbringung im Fürsorgeheim dieser Organisation
angehört.
Nachdem Spindler zunächst in das Strafgefängnis Mannheim eingewiesen worden war,
wurde er am 6. Dezember 1943 zur weiteren Strafverbüßung vom Jugendgefängnis Heilbronn
in das Jugendgefängnis Stuhm in Westpreußen verlegt. Der dortige Vorstand schrieb am 21. Januar
1944 an den Mannheimer Oberstaatsanwalt, Spindler sei ein unverbesserlicher und bösartiger
Rechtsbrecher, der - völlig gemütsarm - weiterhin rückfällig werde. Er beeinflusse seine
Mitgefangenen durch sein schlechtes Beispiel und sei für den Jugendstrafvollzug völlig untragbar
. Deshalb schlage er seine Einweisung in ein Jugendschutzlager vor. Der Oberstaatsanwalt
antwortete eine Woche später, auf einen Zigeunermischling sollten ohnehin die Vorschriften des
Jugendgerichtsgesetzes keine Anwendung finden. Er stellte anheim, sich mit der Kriminalpolizeistelle
Karlsruhe in Verbindung zu setzen, bei der Spindler bekannt sei.
Diese Anregung war nicht mehr nötig. Bereits am 13. März 1943 hatte die Kriminalpolizeistelle
Karlsruhe dem Oberstaatsanwalt mitgeteilt, dass Friedrich Spindler eigentlich mit den
übrigen Familienangehörigen am 24. März in ein Konzentrationslager überführt werden sollte.
Das werde jetzt zurückgestellt. Es ist beabsichtigt, Friedrich Spindler nach Verbüssung der zu
erwartenden Strafe ebenfalls in Vorbeugungshaft zu nehmen. Vom Ausgang des Verfahrens
wurde um Mitteilung gebeten. Mehrfach drängte die Kriminalpolizeistelle auf eine Benachrichtigung
, weil es sich bei Spindler um einen Zigeuner-Mischling mit vorwiegend zigeunerischem
Blutsanteil handele. Am 5. April 1944 endete zwar Spindlers Haft im Gefängnis Stuhm, er erhielt
dort aber noch einmal vier Wochen Hausarrest. Am 3. Mai 1944 teilte dann das Gefängnis
der Staatsanwaltschaft Mannheim mit, Spindler sei an diesem Tag um 18 Uhr entlassen worden
. Er wird mit Sammeltransport in das Konzentrationslager Auschwitz (O.S.) [Oberschlesien]
(Zigeunerlager) gem. Vrfg. [gemäß Verfügung] Kripo Karlsruhe vom 29.3.44 (Tgb. N: 6 K) in
Vorbeugung übergeführt}0
Am 16. Mai 1944 kam Friedrich Spindler in Auschwitz an und erhielt die Häftlingsnummer
Z-9908. Wie sein Bruder Franz Spindler berichtete, wurde er der Gruppe von Sinti und
Roma zugeteilt, die als Arbeitsfähige in andere Konzentrationslager überstellt werden sollten.
Er machte noch den Fußmarsch dieser Gruppe vom „Zigeunerlager" in Auschwitz-Birkenau in
das Stammlager Auschwitz mit, erkrankte jedoch an Typhus und wurde zurückverlegt. Entweder
starb er dort oder wurde zusammen mit den übrigen zurückgebliebenen 2.897 Sinti und
Roma in der Nacht vom 2. auf den 3. August 1944 ermordet.81
Alles nach: GLA, 507 Nr. 4720 Bl. 57ff. und Nr. 4721. Aktenzeichen des Verfahrens vor dem Sondergericht
: So KMs 24/43; Gefangenenbuch-Nr. Jugendgefängnis Heilbronn: 176/43, Jugendgefängnis Stuhm:
624/43; Geschäftszeichen der Kripo Karlsruhe: K II - 4. K. Die Anordnung des Justizministers in:
GLA, 507 Nr. 4720 Bl. 69; die Anklageschrift: Bl. 73-81; das Protokoll der Verhandlung am 06.07.1943:
Bl. 99-102; das Urteil mit Begründung: Bl. 105-109; die Korrespondenz mit der HJ sowie die folgenden
Vorgänge: ohne Paginierung. Die meisten Dokumente sind auch in Nr. 4721 enthalten.
Hämmerle (wie Anm. 2), S. 83. Zu den Verhältnissen in Auschwitz und speziell im „Zigeunerlager" sowie
zur Ermordung der Sinti und Roma vgl. mit weiteren Nachweisen Haumann, Akte (wie Anm. 2), S.
103-184; Ders., Diamanski (wie Anm. 2), S. 136-189; Fings (wie Anm. 3), bes. S. 76-79.
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