http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2019/0180
Rechtsanwalt beschwerte sich daraufhin am 19. Dezember 1933 bei der NSDAP-Kreisleitung
in Staufen, welche die Weiterverbreitung des Flugblatts sowie weitere Flugblätter ähnlichen
Inhalts untersagte. Anfang 1934 folgte eine Klage Feuersteins gegen die Gemeinde Heiters-
heim. Er forderte eine Gehaltsnachzahlung zuzüglich Zinsen sowie eine Pension.29 Zirlewagen
lenkte daraufhin ein, er ahnte wohl, dass seine Polemiken vor Gericht nicht verfangen würden
und einigte sich mit Feuerstein.30 Noch war die Gleichschaltung der Justiz nicht abgeschlossen
und da er Feuerstein kein Fehlverhalten belegen konnte, erschien Zirlewagen der Ausgang des
Verfahrens zu ungewiss. Folgte Zirlewagen in seinem Vorgehen gegen Feuerstein zwar einer
allgemeinen NS-Strategie zur Verdrängung von ,Systemvertretern4 so zeigte er dabei jedoch
fast obsessive Züge. Ob es an Zirlewagens Halsstarrigkeit (siehe unten) lag, oder ob persönliche
Differenzen aus früherer Zeit ausschlaggebend waren ist unbekannt, möglicherweise konnte
Zirlewagen die Wahlniederlage gegen Feuerstein nicht verkraften.
Zirlewagens Wirken als Bürgermeister von Heitersheim
War Zirlewagen öffentlich insbesondere als Gegner des Zentrums aufgetreten, so manifestierte
er seine antidemokratische Einstellung nicht nur mit der Übernahme des Bürgermeisteramts
trotz Wahlniederlage, sondern auch in seiner Forderung nach der Auflösung des Zentrums.
Überhaupt betrachtete er die Parteien (außer der NSDAP) als selbstsüchtig.31 Der Klassenkampfparole
des von ihm bekämpften Marxismus stellte er die Idee der großen deutschen Volksgemeinschaft
gegenüber.32 Um diese zu fördern, agitierte er wie dargestellt unter dem Leitspruch
Gemeinnutz geht vor Eigennutz. Wie ernst ihm dies - zumindest nach außen hin - war, machte
er mit dem Verzicht auf einen Teil seines Gehalts deutlich. Opfer für die Gemeinde und damit
für das Gemeinwohl, forderte er auch von anderen. Da dies nicht mit Zwang zu erreichen war,
wollte er Fortschritte und Erfolge präsentieren und ein Beispiel geben.33 Er propagierte, die Nationalsozialisten
würden unser darniederliegendes Vaterland in wirtschaftlicher, politischer und
kultureller Hinsicht wieder auf die Höhe bringen, auf die ein 60 Millionen-Volk mit großer Vergangenheit
Anspruch habe. Für den Wiederaufbau des Vaterlandes sei jeder willkommen, auch
der ehemalige Gegner. Ohnehin seien es nur die Führer und die Organisation gewesen, welche
bekämpft worden seien. Schließlich stellte Zirlewagen den Nationalsozialismus als eine Bewegung
dar, welche der Jugend neue Ideale geben und sie vom Alkoholkonsum abhalten würde.34
Um die Arbeiterschaft für den Nationalsozialismus zu gewinnen und um diesen in die Betriebe
zu tragen, wurde 1927 die Nationalsozialistische Betriebszellenorganisation gegründet. Ende
1933 galt es eine Ortsgruppe in Heitersheim einzurichten, was Zirlewagen unterstützte.35 Nur
wenige Wochen später bezeichnete Zirlewagen Adolf Hitler bei einer Volksweihnachtsfeier als
29 Privatarchiv Oskar Feuerstein, Schreiben von Rechtsanwalt Friedrich Drischel an Josef Feuerstein vom
31. Januar 1934.
30 Privatarchiv Oskar Feuerstein, Abschrift der Ziffer I des Gemeinderatsprotokolls vom 15. März 1934, Nr.
9 vom 17. März 1934.
31 StadtAH, Feierliche Amtsübernahme des Bürgermeisters Gustav Zirlewagen in Heitersheim, in: Zeitungsartikel
ohne Erscheinungshinweis, August 1933.
32 Der Alemanne - Kampfblatt der Nationalsozialisten Oberbadens vom 18. März 1933.
33 Privatarchiv Marc Zirlewagen, Gustav Zirlewagen an das Badische Bezirksamt Staufen am 20. April
1935.
34 Vgl. Anm. 33.
35 Der Alemanne - Kampf blatt der Nationalsozialisten Oberbadens vom 29. November 1933.
180
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2019/0180