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ser als Bürgermeister durchaus Erfolge vorzuweisen vermochte. Neisen führt Arbeitsbeschaffungsprogramme
und die Beschleunigung der Finanzierung von Gemeindeprojekten durch
Spenden von Heitersheimer Bürgern und unentgeltlichen Aktivitäten der Vereine und Betriebe
an: „Auch ansonsten betrieb er, etwa im Fürsorgebereich, eine rigorose Sparpolitik, griff dabei
aber zuweilen zu zweifelhaften Methoden und setzte Empfänger staatlicher Leistungen verbal
unter Druck." Durch eine sparsame und effiziente Amtsführung habe sich Zirlewagen bei einigen
früheren Gegnern dennoch eine gewisse Achtung verschafft. „Die vehemente Verteidigung
der Heitersheimer Interessen indes wurde Z. am Ende zum Verhängnis." Erley hatte nur auf
eine Gelegenheit zur Entmachtung Zirlewagens gewartet. An diesem Schicksal war Zirlewagen
jedoch wegen seiner Herr im Haus-Mentalität gegenüber der Franka-Belegschaft auch nicht
unschuldig. So vernahm Kommissar Thoma auch 18 Arbeiter der Franka. Die Befragung ergab
ein ambivalentes Bild von Zirlewagens Betriebsführung, sie zeigte ebenso Zustimmung wie
Ablehnung.65 Abschließend fasste Thoma zusammen: Die Unzufriedenheit des größten Teils der
Arbeiterschaft richtet sich in der Hauptsache gegen die Lohnzahlung. Die angebliche Demonstration
war wohl nicht ernst gemeint. [...] Die Stimmung in Heitersheim war und ist auch heute
nicht bedrohlich. Umfangreich nahm Zirlewagen zu den Aussagen im Anschluss Stellung. Er
ging auf die Themen Lohnzahlungen, Überstunden und Behandlung der Arbeiter ein. Insbesondere
wies er es von sich, dass er untertariflich bezahlt habe. Zum Arbeiten habe er dann angetrieben
, wenn ein Liefertermin nicht eingehalten zu werden drohte. Überstunden habe er auch
nur in solchen Fällen verlangt. Schimpfnamen wolle er nur in geringer Zahl verwendet haben.66
Nach seiner Entlassung richtete Zirlewagen am 20. April eine Beschwerde an Vierling gegen
Erley wegen unrechtmäßiger Erwirkung der Schutzhaft. Er verwahrte sich darin gegen die
Behauptung, dass die Schutzhaft nötig sei, weil meine Gefolgschaft sowie die Bevölkerung so
gegen mich aufgebracht sei, dass ich nicht sicher und die öffentliche Ruhe und Ordnung gefährdet
sei. Eine Demonstrationsabsicht seiner Arbeiter wies Zirlewagen zurück. Erley habe sich
als Helfer und Zeugen nur die Unterwelt von Heitersheim ausgesucht, um mich als Mensch, als
Betriebsführer, als Ortsgruppenleiter und als Bürgermeister unmöglich zu machen. Erley habe
bewusst einen Eklat in der Franka herbeigeführt, um Zirlewagen zu schaden. Zirlewagen stellte
beim Badischen Bezirksamt Staufen Strafantrag gegen Erley, weil derselbe im Dienst Behörden
gegenüber falsche Angaben gemacht hat, die zu meiner Verhaftung führten. Ich habe hierdurch
unersetzlichen Schaden materieller und ideeller Art erlitten. Aber auch das Ansehen der Partei
und des Staates hat hierdurch notgelitten. Es handelt sich um einen reinen Willkürakt, die von
den obersten Behörden streng verfolgt werden soll, weil er durch sein Verhalten den Arbeitsfrieden
in meinem Betrieb empfindlich gestört und sowohl den Betrieb als auch den Arbeitern
großen Schaden zugefügt hat. Es wäre leicht möglich gewesen, alle Differenzen auf gütlichem
Wege zu regeln.61
Als Fürsprecher für Zirlewagen traten am 23. April gegenüber Vierling unter anderem Gemeinderat
und Fabrikant Hans Hummel sowie Fabrikant Ernst Hirtler auf. Sie schilderten die
Schutzhaft als unbegründet: Seine Person war in keiner Weise gefährdet, im Gegenteil, die Empörung
der Bevölkerung namentlich auch bei der landwirtschaftlichen Bevölkerung richtet sich
StAF, B 741/1 Nr. 3417, 36-43, Gendarmeriekommissär Thoma an das Badische Bezirksamt Staufen am
19. April 1935: Verhalten des Bürgermeisters Zirlewagen in Heitersheim; ebd., B 741/1 Nr. 3417, 45-57
und Gendarmeriekommissär Thoma an das Badische Bezirksamt Staufen am 23. April 1935: Verhalten
des Bürgermeisters Zirlewagen in Heitersheim.
StAF, B 741/1 Nr. 3417, 59-73 und 119-143, Gustav Zirlewagen am 25. April 1935.
Privatarchiv Marc Zirlewagen, Schreiben Gustav Zirlewagens vom 20. April 1935 an Landrat Vierling
vom Badischen Bezirksamt Staufen.
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